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Tabula Raza

Der Geist der Block Party: Ozomatli aus Los Angeles sind mehr als nur ein Sprachrohr der US-Graswurzelbewegung

Am Anfang stand ein Streik: Eine kommunale Bildungseinrichtung in Los Angeles demonstrierte für bessere Arbeitsbedingungen und gegen drohende Kündigungen in ihren Reihen. Einer ihrer Mitarbeiter, Raúl Pacheco alias Wil-Dog, hatte gerade seine Karriere als politischer Berater an den Nagel gehängt und sich dem Sitzstreik angeschlossen, als er bei dem Arbeitskampf auf Gleichgesinnte traf, mit denen er spontan eine Band formte, der er seitdem als Bassist und Sänger angehört: Ozomatli.

Das ist nun schon zehn Jahre her, doch im Titelsong ihres neuen Albums, „Embrace the Chaos“, evozieren lautes Getöse und Lautsprecherstimmen Erinnerungen an den Gründungsmythos jener turbulenten Anfangszeit von Ozomatli, als die Band ausschließlich in sprichwörtlichen „politischen Zusammenhängen“ auftrat. Das tun Ozomatli zwar noch immer, und auf der Website der Band finden sich, unter der Rubrik „Activism“, weiterführende Links zu den „United Farm Workers“, zur Nachrichtenbörse von Indymedia und den „Friends of Mumia Abu-Jamal“. Darum gelten Ozomatli als musikalisches Sprachrohr der US-Grassroot-Szene, und zu Hause feiert man sie als Lokalheroen, deren einprägsames Logo – das Kürzel „OZO“ in einem Kreis, wobei der Buchstabe Z die beiden O einrahmt – von besonders enthusiastischen Fans angeblich sogar als Tattoo getragen wird.

Doch nach zwei Platten und der Preiskrönung mit einem Latin Grammy ist das zehnköpfige Musikerkollektiv schon ein wenig seiner ursprünglich rein politischen Mission entwachsen, hat sich neue Veranstaltungsorte und eine erweiterte Fangemeinde erspielt. Der Popularität nicht geschadet haben dürfte es sicher auch, mit Carlos Santana auf Tournee zu gehen, jedoch: „Ob wir nun auf irgendeinem Hinterhof, einer politischen Benefizveranstaltung oder aber in einem Megastadion in New York auftreten, für uns macht das letztlich keinen Unterschied“, betont Jiro Yamaguchi, der Percussionist des Orchesters. „Der Kontakt und die Nähe zum Publikum bedeuten uns alles, und so beginnen und enden unsere Konzerte stets inmitten der Leute.“

Das virtuose Tabla-Spiel des Japanoamerikaners weist ihn als Kenner indischer Klassik aus, doch fühlt er sich genauso von afrikanischen und arabischen Traditionen inspiriert, etwa von der Gnawa-Musik aus Marokko: Eine Bandbreite, die bei Ozomatli quasi zum guten Ton gehört, will man im eigenen Sound doch die Vielfalt des kulturellen Schmelztiegels Los Angeles spiegeln. Zwar dominieren diverse Latin-Stile den Sound so wie die Latinos in vielen Vierteln von Los Angeles das Stadtbild. Allerdings sind die Kalifornier schon von ihrer Zusammensetzung her keine reine Chicano-Combo, und so machen sie auch Tabula rasa mit „La Raza“.

Der Saxofonist Ulises Bella – dessen Eltern übrigens aus Mexiko und dem Baskenland stammen – umschreibt die Band-Philosophie von Ozomatli mit dem Motto „Einbeziehung statt Ausschluss“. Und so gehen Salsa, kolumbianische Cumbia und mexikanische Mariachi-Musik bei Ozomatli mit HipHop, Soul, Funk und Rock so urbane wie zukunftsträchtige Verbindungen ein – immer im Geist einer ausgelassenen Block Party, die spontan in eine politische Riot umschlagen kann. K. WILKE, D. BAX

Ozomatli: „Embrace the Chaos“ (UMIS)

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