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Frauenversteher aus Pflichtgefühl

Die Götter waren den Orishas gnädig: Als Repräsentanten der kubanischen Rap-Szene haben sie im Ausland Erfolg

„Immer wieder werden wir gefragt, wie wir uns denn so fühlten als Exilanten, als politische Flüchtlinge. Dabei sind wir das gar nicht: Wir haben unser Land aus rein beruflichen und privaten Gründen verlassen“, stellt Roldán, der Sänger der Orishas, vehement, aber schon etwas müde klar. Wo das kubanische HipHop-Trio sein neues Album doch ausdrücklich „Emigrante“ betitelt hat – um genau diesen Aspekt hervorzuheben!

Mitte der Neunziger kamen die ursprünglich vier Kubaner (der Rapper Livan ist inzwischen ausgestiegen) nach Europa, formierten sich zum Rap-Quartett und nannten sich großmäulig Orishas, nach den Gottheiten des afrokubanischen Santeria-Glaubens. Heute leben sie über den Kontinent verstreut in Paris, Mailand und Madrid. Doch seit dem Erfolg ihres Debütalbums „A Lo Cubano“ sind sie ohnehin die meiste Zeit gemeinsam auf Tour, als bekannteste Repräsentanten der Rap-Szene Kubas. So ein Job kann eine Bürde sein, weiß Roldán: „Wir versuchen, in unseren Stücken ein verantwortungsvolles Bild der kubanischen Gesellschaft zu zeichnen.“

Entsprechend didaktisch, bisweilen fast emblematisch wirken die Texte zuweilen, die sich im Booklet akribisch abgedruckt finden. Ihr Song „Gladiatores“ ist jenen Kubanern gewidmet, die auf kaum seetüchtigen Booten die Flucht nach Miami proben, „Havana“ handelt vom Sextourismus auf der Insel. Und in „Mujer“ geben sich Roldán sowie Ruzzo und Yohutel, seine beiden rappenden Kollegen, neuerdings sogar als Frauenversteher, indem sie sich für die Gleichberechtigung der Frau stark machen. Grinsend räumen die Musiker ein, dass ihnen auf Kuba ein solch manierliches Loblied auf die Emanzipation wohl kaum eingefallen wäre. Tatsächlich tauchten noch auf ihrer Debüt-CD Frauen allenfalls zusammen mit Rum, Tabak und Auto auf, als süße Dreingabe im Leben eines kubanischen Mannes.

Ob das wohl ein strategischer Schachzug war, um sich nicht die Chancen bei einem politisch korrekten Weltmusik-Publikum zu verbauen? Bei ihren Liveauftritten jedenfalls wirkten die Orishas in der Vergangenheit zuweilen oft wie in ein musikalisches Korsett gesteckt, das ihnen ein kluger Produzent gebaut hat. Und auch auf dem neuen Album findet sich ihr Rap Cubano für hiesige Hörgewohnheiten geschmeidig gemacht, nur dass sie mit üppigen Streichern diesmal einen noch melodischeren Weg einschlagen als bislang. Damit sei „Emigrante“ noch internationaler geraten, hofft Roldán, dessen Gesang nun besser zur Geltung kommt.

Man könnte das auch Anpassung an den Weltmarkt nennen. Doch auf Kuba ist es den meisten Fans egal, mit welchen Mitteln ihre Idole im Ausland Erfolg haben. Bei ihrem ersten Konzert auf der Insel wurden sie jedenfalls wie Volkshelden begrüßt.

K. WILKE/D. BAX

Orishas: „Emigrante“ (EMI)

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