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George Bush verzeiht den Genossen

Aber dem PDS-Fraktionschef wird nach seiner Entschuldigung bei Bush vorgeworfen, er übe schon mal das Regieren

BERLIN taz ■ Was ist das? Eine Frage der Höflichkeit? Eine Demutsgeste? Verkehrte Welt? Oder einfach nur eine schöne Geschichte? Da geht Roland Claus, der Fraktionschef der selbst ernannten Friedenspartei PDS, mit schlotternden Knien zum amerikanischen Präsidenten und entschuldigt sich für die Störaktion von drei seiner Genossen während dessen Rede im Bundestag. Und dann klopft ihm George Bush auf die Schulter und sagt: „Ist nett von Ihnen, aber Sie müssen sich nicht entschuldigen, wenn einige Ihrer Leute mit mir nicht einverstanden sind.“

Da dürften Ulla Jelpke, Winfried Wolf und Heidi Lippmann mit dem amerikanischen Präsidenten ausnahmsweise mal einer Meinung sein. Die drei Bundestagsabgeordneten, die dem orthodoxen Flügel der PDS angehören, finden die Entschuldigung ihres Fraktionschefs „einfach nur peinlich“, wie sie am Tag danach sagen. Kritik in der Partei, nur weil sie im Plenarsaal ein Transparent hochgehalten haben, auf dem etwas stand („Mr. Bush + Mr. Schröder: Stop Your Wars“), was jeder in der PDS mit verbundenen Augen unterschreiben würde? „Claus’ Entschuldigung ist Ausdruck von vorauseilendem Gehorsam“, sagt Jelpke zur taz. Lippmann nennt es einen „Kotau vor Bush“.

Der Abgeordnete Carsten Hübner, der der Bush-Rede demonstrativ ferngeblieben war, glaubt, dass der Fraktionschef sich jetzt in der Partei vorhalten lassen muss, schon mal für eine Regierungsbeteiligung der PDS zu üben. Nun legt Claus aber Wert auf die Feststellung, dass er sich bei Bush gar nicht entschuldigt hat. Er habe sein Bedauern über diese „ärgerliche Aktion“ ausgedrückt. „Gerade weil wir gegen seine Politik sind, wollte ich ihm sagen, dass solche Störaktionen nicht unser Stil sind“, so Claus gegenüber der taz. Sauer war der Fraktionschef auf seine drei Abgeordneten, weil sie mit ihrer Aktion die ganze Fraktion hintergangen haben. Alle Abgeordneten hatten sich vorher darauf geeinigt, im Bundestag nicht mit einer spektakulären Aktion gegen Bush zu demonstrieren. Für den Protest gegen die amerikanische Politik ist die Partei am Dienstag auf die Straße gegangen. Im Parlament wollten die Abgeordneten „den Konflikt mit dem Präsidenten aushalten“, wie Claus es nennt.

Der Fraktionschef wirft Jelpke, Wolf und Lippmann, die alle drei aus dem Westen kommen, „überzogene Symbolpolitik“ vor. Diese helfe nicht bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der US-Politik. „Wer den Eindruck erweckt, er kenne schon vorher die Antworten auf alle Fragen, der hat nicht begriffen, vor welchen Herausforderungen gerade wir als PDS in der Außenpolitik stehen“, so Claus.

Konsequenzen haben die drei Abweichler nicht zu befürchten. „Wir werden darüber in der Fraktion reden, und dann ist auch wieder gut“, so Claus. Er empfiehlt allen, gelassen zu sein – so wie George Bush. JENS KÖNIG

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