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„Wir retten Schröder nicht“

Die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer schafft sich mit ihrem unbeschwerten Oppositionskurs gegen alles und jeden in der Parteiführung nicht nur Freunde

Jede Stimme für die PDS ist eine Stimme, die Rot-Grün am Ende gegen Stoiber fehlt„Wir müssen aufs Regieren vorbereitet sein – auch wenn wir nicht regieren“

aus Berlin JENS KÖNIG

Mit den Zielen einer politischen Partei ist das so eine Sache. Hat die Partei kein Ziel, hat sie ein Problem. Hat sie zu viele Ziele, hat sie erst recht ein Problem.

Die PDS will nach den Wahlen am 22. September wieder in den Bundestag einziehen. Sie will mindestens sechs Prozent der Stimmen erringen. Sie will noch vor den Grünen und der FDP drittstärkste Kraft werden. Sie will im Osten wieder die Nummer eins sein. Lauter schöne Ansagen, die eines gemeinsam haben: Sie verdecken nur mühsam das Dilemma der PDS. Der Partei mangelt es keineswegs an inhaltlichen Argumenten, warum sie im Herbst in den Bundestag gewählt werden soll. Aber die Genossen haben nicht das eine, emotional anrührende Ziel, das ihre Wähler mobilisiert. 1994 kämpfte die PDS als Outlaw um den Wiedereinzug in der Bundestag. 1998 wollte sie erstmals als Fraktion ins Parlament einziehen. Und 2002?

Da geht es um Schröder oder Stoiber, um „die oder wir“, wie der Kanzler neuerdings zu sagen pflegt. Dass die PDS aber nicht dazugehört, weder wenn von „die“, noch wenn von „wir“ die Rede ist, macht ihr Dilemma im Wahlkampf nur noch größer. Die Partei ist mit ihrem sozialistischen Mantra von Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Ostdeutschland schon jetzt kaum zu hören. Daran ändern auch ein paar Proteste gegen Bush nichts.

Je näher die Bundestagswahl rückt, je stärker die gesellschaftliche Polarisierung, desto schwieriger wird es für die PDS. Und desto größer wird ihre Not, zu erklären, wofür sie eigentlich gebraucht wird. Jede Stimme für ihre Partei ist eine Stimme, die Rot-Grün gegen Edmund Stoiber fehlt – dieses Argument wird die Genossen quälen. Diesmal werden sie dem auch nicht so leicht entkommen wie 1998. Damals hieß es, wer PDS wählt, hilft Kohl. Das war sachlich falsch, weil die Partei Teil des Anti-Kohl-Lagers war. Aber heute? Kann die PDS ernsthaft so tun, als sei Schröder nicht besser als Stoiber?

Sie kann. Parteichefin Gabi Zimmer zeigt sich da ziemlich ungerührt. „Es gibt keine strategische Unklarheit der PDS“, sagt sie. „Wir sind die eigentliche Opposition.“ Einen Lagerwahlkampf gibt es ihrer Meinung nach nicht, weil es keine Lager gibt, die beispielsweise in der Sozialpolitik um unterschiedliche Konzepte ringen würden. SPD, Grüne, FDP, CDU, CSU – für Gabi Zimmer ist das alles eine Soße. „Alle sagen mit ihrem Wahlprogrammen doch nur eines: Weiter so!“, meint sie. „Es gibt nur eine Partei, die wirkliche Alternativen anbietet. Das sind wir.“

Gegen diesen unbeschwerten Oppositionskurs der PDS-Chefin, die alle anderen Parteien ins Reich der Bösen verdammt, gibt es in den eigenen Reihen zunehmend Widerstand. In der Parteiführung treten vor allem Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Fraktionchef Roland Claus und die stellvertretende Parteichefin Petra Pau als Gegenspieler zu Zimmer auf. Sie tun das natürlich nicht offen, weil sie wissen, dass der PDS vier Monate vor der Wahl eines gewiss nicht hilft: ein öffentlicher Streit über ihre Wahlkampfstrategie.

Nur Leute im Hintergrund trauen sich aus der Deckung. „Wir sind die Opposition – schön und gut“, sagt Thomas Falkner, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen beim Parteivorstand, „aber darum geht es in diesem Wahlkampf nicht.“ Falkner, einer der strategischen Köpfe der PDS, beklagt eine „quälende strategische Schwäche“ seiner Partei. „In Wahrheit geht es im Herbst um eine klare Frage“, so Falkner. „Soll die rot-grüne Regierung weitermachen oder eine andere? Wir geben aber keine klare Antwort.“

Bartsch, der mächtige Bundesgeschäftsführer, hat Anfang April öffentlich einen Befreiungsschlag versucht. In einem Interview machte er deutlich, dass Schröder mit den Stimmen der PDS rechnen könne. „Wenn es an der PDS liegen sollte, werden wir ihn wählen – ein Kanzler Schröder ist uns lieber als ein Kanzler Stoiber“, sagte Bartsch. Diese Aussage war für sich betrachtet alles andere als eine Sensation, aber als Reflex auf die Auseinandersetzung in der Partei aufschlussreich. Zimmer machte damals eine ähnliche Äußerung. Jetzt sagt sie gegenüber der taz, es sei völlig unsinnig, diese Frage überhaupt zu stellen. „Es ist nicht die Aufgabe der PDS, Schröder zu retten.“

Nun wissen auch die Wahlkämpfer Bartsch und Claus, dass die PDS ihre Eigenständigkeit gegenüber der SPD und ihren oppositionellen Charakter betonen muss. Die Hälfte ihrer Anhänger wünscht sich die Partei schließlich in einer klaren Oppositionsrolle. Die andere Hälfte jedoch, das belegen parteiinterne Umfragen, befürwortet strategisch eine rot-rote Koalition. Die werden durch Zimmers revolutionäre Rhethorik eher verschreckt.

Bartsch will diesen Teil der Wählerschaft aber nicht gewinnen, indem er etwa auf eine rot-rot-grüne Koalition setzt. Das wäre in der Partei, die Schröder Kriegstreiberei und eine unsoziale Politik vorwirft, nicht durchsetzbar. „Ein Konstellationswahlkampf bringt uns nichts“, sagt Bartsch. Er setzt lieber auf einen so genannten Kompetenzwahlkampf. Die Partei soll vor allem mit inhaltlichen Vorschlägen punkten. „Unsere Chance kommt dann, wenn unsere Konzepte mit denen von SPD und Grünen verglichen werden.“

Am Sonntag auf einer Bundeswahlkonferenz in Halle will Bartsch seine Partei noch einmal auf diesen Kurs einschwören. Das muss er auch. Eine gerade von der Parteiführung in Auftrag gegebene Studie des Berliner Info-Instituts bescheinigt der PDS gravierende Kompetenzmängel in vielen Politikfeldern. So glauben selbst im Osten nicht einmal zehn Prozent der Wähler, dass die PDS etwas Wirksames gegen die Arbeitslosigkeit tun könnte.

Falkner will noch mehr. Natürlich weiß er wie alle in seiner Partei, dass ein rot-rot-grünes Bündnis im Herbst so gut wie ausgeschlossen ist. Außerdem hat die PDS in ihr Wahlprogramm geschrieben, dass sie ein Mitte-links-Bündnis erst mittelfristig anstrebt. Aber Falkner hat etwas dagegen, dass seine Partei nur abwartet, bis sich SPD und Grüne auf die PDS zubewegen. „Wir müssen uns dazu verhalten, dass es Lager gibt und die PDS Rot-Grün politisch und kulturell nun mal näher steht als Stoiber“, so Falkner. „Unsere Verweigerungshaltung bringt nichts.“

Seiner Meinung nach sollte die PDS der SPD und den Grünen inhaltliche Angebote machen, an denen sich die beiden Parteien dann reiben könnten. Als Beispiele nennt er eine Vermögensteuer, die Tobin-Steuer oder die Benennung klarer Grenzen für einen militärischen Einsatz der Bundeswehr. Die PDS muss aufs Regieren vorbereitet sein, glaubt Falkner – auch wenn sie nach der Wahl nicht regieren wird.

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