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Lightkultur für den Mob

■ Der Rapper G.E.R.M. steht heute Abend in Bremerhaven auf der Bühne. In der taz erklärt er die aufklärerischen Ambitionen von „Brother Keepers“

enetisch Erschaffenes Reinkarniertes Meisterhirn – abgekürzt G.E.R.M. So heißt der Rapper, der Teil der antirassistischen Initiative Brothers Keepers ist. Heute tritt er im Bremerhavener Columbusbahnhof beim Konzert „ri'spect“ auf.

taz: Steht der Künstlername auch für german, also deutsch?

G.E.R.M.: Ja, auch dafür, dass ich deutsch bin.

Kriegt Deutschsein eine andere Bedeutung, wenn jeder zunächst denkt: Der is ja gar nicht richtig deutsch?

Ja, logisch. Du bist deutsch, aber nicht wirklich. Es heißt immer: Wo kommst du eigentlich her? – Ja, Deutschland. – Nee, du weißt schon, was ich meine. Ich kenne Nigerianer, die in Bad Kreuznach geboren sind und gefragt werden: Wo kommst'n wirklich her? Nach dem Motto: Du sprichst aber gut deutsch. Wo hast du das denn gelernt? Ich muss dann sagen: Genau wie du wahrscheinlich, von meiner Mutter.

Wie bist du zu Brothers Keepers gekommen?

Als einer der Gründer, Adé, mich gefragt hat, war's für mich keine Frage, dass ich dabei bin. Da wusste ich noch nicht, dass Stars wie Xavier Naidoo oder Sammy Deluxe auch dabei sein würden. Ich habe einfach gesagt: Sowie die Arbeit ansteht, bin ich da und mach sie.

Ist Brothers Keepers eine feste Formation?

Wir sind alle Solokünstler. Aber weil wir als Schwarze in Deutschland aufgewachsen sind, haben wir alle eine ähnliche Erfahrung gemacht. Auf der Ebene sind wir schließlich zu einer Gruppe geworden.

Macht ein Star wie Xavier Naidoo mit wie jeder andere?

Er war mit uns unterwegs und hat sich voll eingesetzt. Er ist kein Superstar, wie man ihn sich vorstellt. Der Mann ist mit beiden Füßen auf der Erde, hat nicht nur gesagt: Ich leih' euch mal meine Stimme, sondern hat sich Gedanken gemacht, über das, was er geschrieben hat. Er gehört dazu.

Ihr geht bewusst dahin, wo es wehtut ...

... auf jeden Fall.

... mitten in die Problemgebiete, insbesondere in Ostdeutschland. Habt ihr das Gefühl, da etwas zu bewirken?

Wenn wir es schaffen, dass Bundestagspräsident Thierse auf uns reagiert, dann haben wir politischen Einfluss, auf jeden Fall.

Personen wie Thierse ringen selbst um ihren Einfluss auf rechte Jugendliche. Habt ihr einen einfacheren Zugang?

Klar, die sehen uns ja erstmal als Musiker. Als wir neulich eine Diskussionstour durch ostdeutsche Schulen gemacht haben, hat es schon gezogen, zu sagen: Wir geben euch allen Autogramme, aber wir haben mit euch zu reden. Dann haben wir so eine Art Unterhaltung, aber auch mit Bindung.

Rechte Jugendliche bekommen auch Autogramme?

Die Hardcore-Nazis wollen keine, aber ich habe mich welchen unterhalten, die in der Grauzone waren. Ich hoffe, ich hab' die soweit bekehren können, dass sie sich selbst finden.

Ist der religiöse Unterton in „bekehren“ Absicht?

Na ja, das heißt: Ihnen den Spiegel vorzuhalten. Zu sagen, du bist ein Individuum, du hast Entscheidungskraft. Du brauchst kein Hordenprinzip und keinen Führer. Was bringt dir denn ein Führer? Wenn eine rechte Partei die Wahlen gewinnt und alles ist national befreit, kannst du weder zum Chinesen noch zum Griechen essen gehen, schmeckst du nur noch Kartoffel und Sauerkraut. Das fanden sie nicht so toll.

Solche Argumente ziehen bei den Rechten?

Ja. Ich hab denen auch gesagt: Wenn ihr alle Ausländer abschießt, würden die Krankenkasse und das ganze Sozialsystem regelrecht zusammenbrechen.

So argumentiert auch die große Politik ...

Das finde ich sehr sinnig. Die müssen das einfach mal kapieren. Wenn man Leute zum Nachdenken bringen will, muss man sie fundiert fragen können: Findest du das wirklich gut, was du hier treibst? Ich glaube, unsere Gesellschaft erzieht solche Außenseiter geradezu. Die Diskriminierung geht ja weiter als bis zur Hautfarbe. Soziale Schichten diskriminieren sich untereinander. Wenn einer Geld hat, sagen sie alle: Respekt! und kuschen. Wenn einer im Sozialviertel wohnt, wollen sie mit ihm nichts zu tun haben. Ich glaube, um das Licht zu sehen, muss man auch schon mal in die tiefste Dunkelheit geschaut haben.

Und die bringen Rapper wie G.E.R.M?

Wir bringen das Licht. Oder versuchen es zumindest. Deshalb heißt unser Album ja auch „Lightkultur“.

Fragen: Jan Kahlcke

G.E.R.M. tritt mit Brothers Keepers und vielen anderen am Samstag ab 19 Uhr im Bremerhavener Columbusbahnhof auf. Eintritt: 14 Euro, für Flüchtlinge mit Nachweis umsonst. Schon um 14 Uhr lädt die Grüne Jugend zur Diskussion über Rechtsextremismus in Bremen ein. Thema: „Alles heil im Kopf?“. Ort: Schlachte 19/20. Anschließend sponsern die Grünen eine Bahnfahrt zum Konzert nach Bremerhaven. Aber nur für die ersten 25 TeilnehmerInnen.

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