wir lassen clicken: Historisches und Brandaktuelles zur Fußball-WM
Wetterström lässt Kuba trauern
Wenn in den nächsten Wochen beim allvormittäglichen Versuch, auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen eine achtstündige Fußballsendung ohne Fußball zu betrachten, die fünfte Flasche Frühstückssekt geleert ist und das Gesicht von Waldi Hartmann noch mehr verschwimmt als sonst, wird unvermeidlich der Moment kommen, in dem existenzielle Fragen aufgeworfen werden. Zum Beispiel: 1) Wer schoss eigentlich bei der WM 1938 das Siegtor zum 2:1 gegen Rumänien, welches Kuba ins Viertelfinale brachte? 2) Und wie hießen dort die Schützen der acht schwedischen Treffer? Oder noch basiswissenshafter: 3) Wie lautete doch gleich die vollständige Aufstellung jener Mannschaft aus den USA, die 1950 in Brasilien dem erstmaligen WM-Teilnehmer England mit 1:0 die sensationellste Niederlage der Fußballgeschichte beibrachte? Zu leicht? Gut. Wie wäre es damit: 4) Wer war der Schiedsrichter der Partie Ungarn – Bulgarien (6:1) bei der WM 1962 in Chile und wie viele Zuschauer waren im Stadion, welches wie hieß? Oder auch: 5) Wer steht an 20. Stelle der ewigen WM-Torschützenliste?
Sollte der ein oder andere die Antworten nicht gleich parat haben, dann ist das zwar überaus beschämend, aber kein Grund zum Verzweifeln. Schließlich gibt es die „Die Große Fußballchronik“, zwei CD-ROMs, deren eine der Geschichte der Fußballweltmeisterschaft gewidmet ist, die andere der Bundesliga inklusive Europacup. Eine äußerst hilfreiche Datensammlung, in der Antworten auf alle obigen Fragen und noch etliche mehr zu finden sind.
Je vier Mausclicks führen vom Hauptmenü zur Beantwortung der Fragen 1 (Hector Socorro), 2 (Nyberg, Wetterström, Wetterström, Wetterström, Wetterström, Andersson, Jonasson, Keller), 3 (Borghi, Keough, Maca, Ilvenny, Colombo, Bahr, Wallace, Pariani, Gaetjens, J. Souza, F. Souza), 4 (Juan Gardeazabal Garay, 7.442, Estadio Braden in Rancagua), nur zwei zu Nummer 5 (Völler, Stabile, Maradona, je acht Treffer). Es gibt eine Datei mit sämtlichen Spielern, die je bei einer WM aktiv waren, allen Spielen, eine Heldengalerie, Länderstatistiken, ein hübsch gestaltetes Quiz, viele Fotos, und insgesamt 40 Minuten Filmaufnahmen von 1930 bis 1974. Danach gingen offensichtlich die Bildrechte verloren, sodass bloß noch Radiokommentare und, welch niedliche Idee, Netzer-Analysen geboten werden. Nach demselben Muster funktioniert die Bundesliga-CD, welche alle wesentlichen Daten von 1963 bis 2002 enthält.
Eine andere lohnende Variante, sich durch die WM zu clicken, ist die Website www.indirekter-freistoss.de, die eine tägliche Fußball-Presseschau bietet. Das Team vom Zentrum für Medien und Interaktivität (ZMI) in Gießen unter Leitung von Professor Claus Leggewie hat sich zur Aufgabe gemacht, die Berichte der Printmedien über die Weltmeisterschaft zu bündeln und zu kommentieren. Im Blickpunkt stehe vor allem „die investigative Berichterstattung der überregionalen Qualitätszeitungen (SZ, FAZ, NZZ, FR, taz etc. sowie El País, Guardian etc.)“, heißt es in sympathischer und wissenschaftlich korrekter Weise. Die tägliche Textsammlung ist mit Links versehen und in einschlägig betitelte Rubriken geordnet. Der „Ballschrank“ birgt das Archiv, die „Verlängerung“ Buchempfehlungen, der „Querpass“ ein Börsenspiel und „WM 2002“ Artikelsammlungen zu bestimmten Themen.
Wer den Monitor lieber auslassen möchte (oder erst gar keinen hat) kann sich natürlich auch des altmodischen Informationsmittels Buch bedienen. „Menschen, Tore & Sensationen“ zum Beispiel bietet einen bunten Streifzug durch die WM-Geschichte mit Augenzeugenberichten und vielen Anekdoten. Zur Halbzeitunterhaltung bestens geeignet sind die gesammelten „mündlichen Fehlpässe“ aus „Der spielt wie ’ne Parkuhr“, wo auch das passende Motto zur WM geliefert wird: „Wenn wir alle schlagen, können wir es schaffen.“ (Horst Hrubesch). MATTI LIESKE
Die große Fußballchronik. 2 CD-ROMs, United Soft Media, 19,90 €; Menschen, Tore & Sensationen, WM 1930–2006. Verlag weropress, 19,95 €; „Der spielt wie ’ne Parkuhr“. Europa Verlag, 9,90 €
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