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Gerissener Verlierer

FDP-Vize Jürgen Möllemann weicht dem Ultimatum – und geht zum Gegenangriff über

aus Köln PASCAL BEUCKER

Ob er sich jetzt als Verlierer fühle? „Ach, gewinnen tut man in der Bundesliga von Spieltag zu Spieltag.“ Jürgen W. Möllemann gab sich in der Stunde seiner Niederlage bemüht zuversichtlich. „Die 18 werden wieder das Thema der nächsten Tage.“

Immerhin hatte der geübte Fallschirmspringer seinen ungebremsten Absturz noch einmal verhindern können – ganz kurz vor dem Aufprall und bereits so spät, dass die blauen Flecken nicht mehr vermeidbar waren. Dabei musste der Chef der nordrhein-westfälischen Liberalen und Bundesparteivize mächtig in die Trickkiste greifen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Es hatte etwas von einem Déjà-vu-Erlebnis: Ein Brief Jamals Karslis habe ihn erreicht, eröffnete Jürgen W. Möllemann seinen Redebeitrag. Wie schon vor vierzehn Tagen. Mit finsterem Gesicht kapitulierte Möllemann vor dem Ultimatum Guido Westerwelles und machte gestern im Düsseldorfer Landtag seinen Kotau – wenn auch auf seine spezielle Art.

Denn Möllemann wäre nicht Möllemann, hätte er der Forderung des Bundesvorsitzenden einfach nachgegeben und Karsli eigenhändig vor die Tür der Landtagsfraktion befördert. Nein, auch gestern kam kein kritisches Wort zu dem Ex-Grünen über seine Lippen. Stattdessen verlas er ein vermeintlich von Karsli verfasstes Rückzugsschreiben: „Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich auf meine Mitgliedschaft in der FDP-Landtagsfraktion verzichte.“ Und Möllemann ließ es sich auch nicht nehmen, die Schlussfloskeln zu verlesen: „Ich bin dankbar dafür, lieber Herr Möllemann, wie engagiert Sie an meiner Seite gestanden haben und ich biete Ihnen auch für die Zukunft an, mit Ihnen gemeinsam für liberale Werte, Toleranz, für die Menschenrechte, gerade auch von Minderheiten, zu streiten.“

Anders als bei seinem Auftritt vom 22. Mai, bei dem Möllemann den Verzicht Karslis auf die FDP-Mitgliedschaft bekannt gegeben hatte, musste der FDP-Zampano diesmal einen Schritt weiter gehen und sich zu einer persönlichen Geste durchringen. Eingebettet in wüste Angriffe auf die anderen Parteien, zog Möllemann auch im Streit mit dem Zentralrat der Juden die Reißleine. Seine Worte, Ariel Scharon und Michel Friedman seien mitverantwortlich für wachsenden Antisemitismus, seien im Zorn gefallen und ein Fehler gewesen.

Und dann kam endlich der Satz, auf den viele so lange gewartet hatten: „Sollte ich damit die Empfindungen jüdischer Menschen verletzt haben, möchte ich mich bei diesen entschuldigen.“

Damit war auch dieser Fall für Möllemann erledigt. „Was zu sagen ist, ist jetzt gesagt“, verkündete er nach der Landtagsdebatte. „Ich empfehle jedem, jetzt nicht noch mehr zu fordern.“ Zum Beispiel eine Entschuldigung bei Michel Friedman. Denn bei ihm entschuldigte sich Möllemann explizit nicht. Im Gegenteil: Er stellte unmissverständlich klar, seine Entschuldigung gelte „nicht Herrn Friedmann“. Er werde sich auch nicht bei ihm entschuldigen: „Der hat sie gar nicht verdient.“

Schon in der Landtagsdebatte hatte es sich Möllemann nicht verkneifen können, erneut den Zentralrat zu attackieren. Es gehe bei der Debatte doch gar nicht um die Bekämpfung antisemitischer Tendenzen, sie sei auch „nicht entstanden durch die Entscheidung des Kollegen Karsli, bei den Grünen auszuscheiden und sich bei uns um die Aufnahme zu bemühen“, sagte Möllemann. „Sie ist entstanden durch eine außerordentliche scharfe, wiederholte Kritik von Mitgliedern des Zentralrats der Juden, vor allem von Herrn Friedman, an mir und den Freien Demokraten wegen unserer pointierten Kritik an der Politik der Regierung Scharon.“ Den Zwischenrufern entgegnete er kühl: „Man wird ja wohl das noch darstellen können.“ Möllemann bleibt eben Möllemann.

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