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Debatte ohne Ende

Afghanistans Loja Dschirga wird erneut verlängert. Präsident Karsai braucht noch Zeit zur Kabinettsbildung. Weiter Streit um Parlament

KABUL taz ■ Afghanistans neu gewählter Präsident Hamid Karsai hat gestern Nachmittag die bereits verlängerte Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) um weitere 24 Stunden zur Zusammenstellung seines mit Spannung erwarteten Kabinetts gebeten. Als er im Dezember vergangenen Jahres Interimsregierungschef geworden sei, habe ihm die Bonner Afghanistan-Konferenz die schwierige Kabinettsbildung abgenommen, sagte er scherzend. Jetzt wolle er das Kabinett verkleinern und mit mehr Fachleuten besetzen, doch davon gebe es viele.

In Kabul kursieren jedoch seit Tagen Gerüchte, dass Karsai auch Regionalfürsten und Warlords stärker in seine Regierung einbinden wolle. Karsai kündigte an, heute vor den Delegierten seinen Amtseid ablegen zu wollen. Seine Präsidentschaft beginnt am kommenden Samstag.

Karsais Rede ließ vermuten, dass er sein Kabinett nur der Loja Dschirga vorstellen, diese aber nicht darüber abstimmen lassen wolle.

Laut dem Bonner Abkommen müssen die Delegierten jedoch zumindest den nicht näher definierten Schlüsselposten zustimmen. Diese Meinung vertritt auch der einflussreiche US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad. „Wer behauptet, die Zustimmung der Loja Dschirga sei nicht nötig, irrt. In dieser Sache sind wir ganz eindeutig“, so der US-Gesandte gegenüber Reuters. „Wir sind involviert, und wir werden darauf bestehen.“

Am Vormittag war die Sitzung wegen des Streits um die Zusammenstellung des Übergangsparlaments unterbrochen und erst nach sechs Stunden mit Karsais Rede fortgesetzt worden. Am Vortag hatte er vorgeschlagen, über das Parlament nicht mehr auf der Versammlung zu entscheiden, sondern dies einem Ausschuss zu überlassen, der aus je fünf Delegierten der neun Regionen zu gründen sei. Viele Delegierte protestierten gestern Vormittag gegen Karsais Vorschlag und wollten sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen.

Am Montagabend hatte Karsai auch die Einrichtungen von zehn Kommissionen vorgeschlagen und dabei mit nicht näher ausgeführten Äußerungen zur Scharia für Verwirrung gesorgt. Noch am Abend stellte Ashraf Ghani, der einflussreichste Berater Karsais klar, dass damit nicht gemeint sei, dass Dieben künftig wie unter den Taliban die Hand abgeschlagen oder Ehebrecher gesteinigt würden. Dies sähen weder das afghanische Zivil- noch das Strafrecht vor, so Ghani.

SVEN HANSEN

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