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„Bremen könnte Geberland sein“

Uni-Ökonom Wolfram Elsner hat ausgerechnet: Ein um den „Speckgürtel“ erweitertes Land Bremen wäre ein „dauerhaft investitionsfähiger Städtestaat“. Außerdem könnten 14 Bundesländer viel Geld sparen

Vier Milliarden Mark Mehreinnahmen pro Jahr – das Bremer Haushaltsdesaster gehörte der Vergangenheit an. Ein Wunschtraum? Mitnichten, sagt Wolfram Elsner. Der Bremer Wirtschaftsprof und langjähriger Leiter der Planungsabteilung im Wirtschaftsressort und seine Mitarbeiterin Silvia Mielke haben nachgerechnet: Wenn die Grenzen des Städtestaates denen des tatsächlichen Ballungsraumes entsprächen, wäre Bremen kein Nehmerland mehr, sondern könnte sogar Geld an andere, ärmere Bundesländer abgeben.

Anders als der Bremer Jurist Erich Röper, der mit Blick auf die 2005 auslaufenden Sanierungshilfen des Bundes bereits die Fusion mit Niedersachsen ins Spiel brachte, will Elsner explizit an der Existenz des Städtestaates festhalten: „Das ist eine Wertung, die wir setzen.“

Schuld am Verfall Bremens zum „Armenhaus der Nation“ sei nicht allein die falsche Wirtschaftspolitik, sondern vielmehr der räumliche Strukturwandel, behauptet der Ökonom: „Die Abwanderung der Bevölkerung ins Umland hat eine riesige Lücke gerissen.“ Konsequenterweise müssten jetzt die politischen Grenzen des Städtestaates wieder in Einklang mit den ökonomischen des Ballungsraumes gebracht werden. Im Klartext: Der Speckgürtel muss eingemeindet werden.

In die gleiche Richtung hatte bereits vor gut zwei Jahren der Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, argumentiert, als er – allerdings ohne präzise ökonomische Berechnungen – in einem Aufsehen erregenden Papier eine Regionalkörperschaft „Bremen und umzu“ vorschlug. Die Kritik der Umlandgemeinden und selbst innerhalb der Bremer Koalition war verheerend. „Politisch völlig chancenlos“, urteilt denn auch Elsners Kollege Rudolf Hickel zu dem neuen Vorschlag, wenngleich Elsners Thesen „als Modellrechnung interessant“ und der Vorschlag für Bremen „hochattraktiv“ sei. Hoffmann lehnte jede Stellungnahme zu Elsners Thesen ab.

Ins politische Abseits will der sich indes nicht stellen lassen: „Wenn das Zentrum nicht leistungsfähig ist, dann geht über kurz oder lang auch die Region den Bach runter.“ Das sähen hinter vorgehaltener Hand auch viele Umlandbürgermeister bereits ein. Die Details einer „Eingemeindung“ nach Bremen könnten frei verhandelt werden, wirbt Elsner für seine Idee. Kommunale Freiheiten? Haushaltskompetenz? – „Alles nur Feinheiten“, ist er optimistisch. Nur: „Die Bremer müssen ihre hanseatische Überheblichkeit aufgeben.“

Politische Rückendeckung für eine Gebietsreform im großen Stil, so der Fingerzeig des Profs an Scherf & Co., ließe sich nicht nur in Bremen finden: „An dem Stadt-Umland-Problem leiden doch alle bundesdeutschen Großstädte.“ Reiz dürfte die Idee auch auf andere Bundesländer ausüben: Die Zahlen der Jahre 1996 bis 1999 zugrunde gelegt, hätten sie alle von einem finanzstarken Bremen profitiert – bis auf Niedersachsen. Armin Simon

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