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Glückliche Täuschung

Bei der Shakespeare Company Berlin darf zur Aufführung von „Ende gut, alles gut“ die Story noch die Hauptsache sein

Im Sommer, wenn die Schauspielhäuser zwecks Urlaub geschlossen sind, darf Shakespeare wieder Shakespeare sein. Dann fährt sein Geist in kleine Schauspieltruppen, die sonst im allgemeinen Rummel nicht weiter auffallen würden und lässt sie seine Stücke spielen, häufig in malerischer Kulisse und unter freiem Himmel.

Zum Beispiel die Shakespeare Company Berlin. 1999 hat sich die Gruppe um Christian Leonhard gegründet, um hauptsächlich Shakespeare zu spielen – befreit von Stadttheatergeist und Dramaturgenschweiß, ganz in Shakespeare’scher Volkstheatertradition. Im Übrigen widmet man sich dem Traum, Shakespeares Globe Theatre als Globe Berlin allein mit Sponsorenkraft wieder aufzubauen.

Im letzten Jahr spielte und sang die Company „Shakespeares Love Songs“. Dieses Jahr inszenierte Sarah Kohrs zwischen den hohen Mauern der Ruine der Klosterkirche die melancholische Komödie „Ende gut, alles gut“. Helena und Graf Bertram sind zwar zusammen aufgewachsen, ein Paar können sie trotzdem nicht sein. Die Standesunterschiede sind enorm, und Bertram hat sowieso andere Pläne. Mit Liebe und List gelingt es Helena, seine Frau zu werden. Mit Tücke entzieht sich Bertram jedoch der ehelichen Pflicht und stellt anderen Damen nach. Am Schluss liegen sie sich natürlich doch in den Armen.

Bis es so weit ist, machen die Beteiligten allerlei Irrungen und Wirrungen durch, das Publikum inklusive. Es sitzt auf den kühlen Steinen der alten Kirche und nippt an heißem Glühwein. Leichte Regentropfen gehen auf das Gemäuer der kriegszerstörten Kirche nieder, da tritt ein bunter Narr mit Minimandoline auf und macht einer errötenden Dame im Publikum einen Antrag. Christian Banzhaf wird als verschmitzter Hofnarr, später als großmäuliger Bertram-Gefährte Parrolles den Abend prägen; ein starkes, schönes Frauenensemble (Tjadke Biallowons, Marie-Louise Hauser und Annik Klug) spielt mit hinreißendem Spürsinn fürs Komödiatische die Edelfrauen und – crossgender-gerecht – die marodierenden und intrigierenden Höflinge. Es gibt einen schrulligen König (Markus Fennert) der mit verknautschter Miene und Damenkostüm auch als Bürgersfrau und Jack-Lemon-Some-like-it-hot-Double eine prima Figur macht.

Und dann ist da noch das verhinderte Liebespaar. Victor Calero spielt den Bertram, der vom kurzbehosten Ödipus zum Schlagetot und Frauenheld mutiert, bevor er an den bebenden Busen der mütterlich-sinnlichen Helena (Beatrice von Moreau) sinkt. Am schönsten ist es, als die verschmähte Helena dem getäuschten Bertram in die Arme geführt wird – zu einem alten französisches Liebeslied. Alle Beteiligten haben an der Täuschung mitgewirkt, und Bertram glaubt mit verbundenen Augen, dass er jetzt die angebetete Diana lieben darf. Mit entrückter Miene tastet er sich vor. Und Helena nimmt ihn wie ein lang erwartetes, kostbares Geschenk. Das ist ein Happy-End wie im Sommernachtstraum. Hoffentlich wird man ihn nie in ein echtes Theater sperren. ESTHER SLEVOGT

„Ende gut, alles gut“, in der Klosterruine Berlin, Klosterstraße; 21., 25., 26., 28. 7. und weitere Termine im August, jeweils 20.30 Uhr

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