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SÜDAMERIKAS WIRTSCHAFT STÜRZT AB – DER IWF IST RATLOSDie argentinische Krankheit

Sie ist doch ansteckend, die Argentinienkrise, auch wenn weite Teile der internationalen Finanzwelt das lange Zeit nicht wahrhaben wollten. Vorgestern jedoch rief Argentiniens kleiner Nachbar Uruguay einen Bankenfeiertag aus – ein Euphemismus, der die katastrophale Situation der „Schweiz Südamerikas“ verschleiern sollte. Deren Banken galten bei den Argentiniern als sicherer Hafen für ihr Geld, können sie doch seit mehr als einem halben Jahr im eigenen Land nicht mehr frei über ihre Konten verfügen. Derzeit jedoch verlassen 40 Millionen Dollar am Tag Uruguay, der heimische Peso hat seit Ende Juni die Hälfte seines Wertes verloren. Und wieder einmal stehen die potenziellen Retter – der Internationale Währungsfonds und sein Hauptanteilseigner, die USA – vor einer ausweglosen Situation.

Die derzeitige IWF-Strategie ist falsch: Argentinien wird für seine schlechte Wirtschaftspolitik und seine ausufernde Korruption bestraft und erhält kein neues Geld. Gleichzeitig gewährt der Fonds den Nachbarländern Uruguay und Brasilien Kredite als Belohnung für ihre gute Politik und um sie weniger anfällig für die Kirse zu machen. Es entbehrt jedoch jeder Vernunft, zu glauben, dass bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung in der Region ein Land den Bach runtergeht und die beiden anderen nicht.

Eine andere Möglichkeit wäre, die südamerikanischen Länder ihrem Schicksal zu überlassen, keine weiteren Kredite zu gewähren und auf die Selbstheilungskräfte der Märkte zu hoffen. Das wäre die orthodox neoliberale Lösung. Ökonomisch macht sie Sinn, weil keine Volkswirtschaft dauerhaft auf Pump leben kann: Die Schulden steigen, Zinsen und Tilgungsraten fressen die öffentlichen Haushalte auf. Politisch jedoch ist eine solche Marktbereinigung à la Lehrbuch nicht machbar, weil sie die Gefahr sozialer Unruhen und politischer Instabilität außer Acht lässt.

Das kleinste Übel wäre, allen südamerikanischen Ländern gleichermaßen neues Geld zuzuschießen. Doch Vorsicht – dieses Geld muss unbedingt zweckgebunden sein. Sonst dienen neue Kredite nur dazu, die bestehenden Schulden an in- und ausländische private Gläubiger zurückzuzahlen, wie es 1997 und 1998 in Asien, Russland und Südamerika geschah. Damit aber würde der Schuldenberg nur immer weiter wachsen und die Konjunktur nur noch stärker abwürgen. Denkbar wäre nun ein Kapitalexportverbot, wie es Malaysia erfolgreich während der Asienkrise vor fünf Jahren eingeführt hat. Denkbar wäre außerdem ein rasches Insolvenzverfahren, nach dem die hoch verschuldeten Länder ihre Zahlungsfähigkeit erklären und die Gläubiger einen Teil ihrer Rendite abschreiben.

Finanzexperten sollten dieser Tage ein Déjà-vu-Erlebnis haben: Beide Maßnahmen sind nicht neu, für beide Maßnahmen ist es reichlich spät – das erinnert stark an die vergangenen Finanzkrisen. Und ach, was haben die Experten seitdem an Papier verbraucht, um alternative Lösungsszenarien zu entwerfen. KATHARINA KOUFEN

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