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Spielerische Wechsel

Glenn Gould-Hommage, kombiniert mit Lesung aus Thomas Bernhards „Der Untergeher“ samt Goldberg-Variationen: Gelungenes Konzept der Sommerlichen Musiktage Hitzacker

von REINALD HANKE

Schaut man sich die Programme der diesjährigen Sommerlichen Musiktage Hitzacker an, so überzeugen sie alle durch ihre dramaturgische Sinnfälligkeit. Dies galt insbesondere für den Hommage-Abend für Glenn Gould, aber auch für den Wiener Abend.

Letztlich bewährt sich aber jedes Konzept erst durch eine gelungene Umsetzung. Da gab es am Gould-Abend auf der einen Seite eine überragende Lesung Christian Brückners aus Thomas Bernhards Roman Der Untergeher, in dem es um Glenn Gould und dessen Interpretation der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach geht. Brückner spielte wie selbstverständlich mit dem Sprachrhythmus des ohnehin äußerst musikalisch schreibenden österreichischen Meisterautors Bernhard. Tempo- und Tonlagenwechsel ergaben sich spielerisch. Und ständig agierte Brückner virtuos auf dem schmalen Grat zwischen Understatement und Zuspitzung. Selten eine derart gute Lesung gehört.

Auf der anderen Seite dann Evgeni Koroliovs Spiel von Goulds Lieblingsstück, den besagten Goldberg-Variationen. Koroliov spielte zwar souverän, sehr differenziert, manchmal sogar äußerst raffiniert in der klanglichen Abtönung, jedoch das Wesentliche dieser Musik nicht erfassend. Glenn Gould hat in einem der zwischen den beiden Veranstaltungen gezeigten Filmausschnitte treffend formuliert, dass das Besondere dieser Musik im Primat der Struktur liegt.

Davon jedoch war bei Koroliov wenig zu erleben. Statt Klarheit und geistiger Durchdringung gab es romantisierende Erkundungen bachscher Klangräume. Weiches und manchmal an Schlüssen zerdehntes Spiel schien Koroliov wichtiger als Klarheit und innere Logik. Das hatte zwar durchaus eigenständiges künstlerisches Format, aber Koroliovs Primat des Klanges führt nicht zum Kern von Bachs Musik. Im Gegensatz zu Goulds Bach-Spiel.

Der die diesjährigen Musiktage abschließende Wiener Abend war zwar nicht so ambitioniert im Anspruch, aber letztlich gelungener. Bearbeitungen von Johann-Strauss-Walzern für kleines Ensemble und ein paar klangliche Kammermusikbeigaben aus der Feder Anton Weberns wurden ergänzt durch gelesene Ausschnitte aus Wiener Literatur der Jahrhundertwende. Anatol Ugorski spielte mit dem sehr sensibel agierenden Rosamunde-Quartett ein musikalisch vorzügliches Konzert, das allerdings mit einer Probe mehr noch besser hätte sein können.

Pianist Anatol Ugorski erwies sich als ganz Großer seines Faches. Seine kammermusikalischen Qualitäten erinnern an den legendären Solomon, weil es Ugorski wie seinerzeit Solomon auf eine einzigartige Weise gelingt, seinen Anschlag dem Spiel der anderen Musiker anzupassen ohne deshalb seinen eigenen Charakter zu verlieren. Nie drängt er sich vor, bleibt aber immer präsent und brilliert nur dort, wo es sich musikalisch zwingend von selbst ergibt.

Die ersten Sommerlichen Musiktage Hitzacker, die komplett vom neuen Intendanten Markus Fein zu verantworten sind, sind nun zu Ende. Es bleibt festzustellen, dass die inhaltliche Neuorientierung in den Konzepten rundum gelungen ist. In der Umsetzung haperte es zwar noch öfters, aber alles in allem hat dieses Festival im Vergleich zu früher sehr viel gewonnen. Die bereits im letzten Jahr mit großem Erfolg eingeführte Hörer-Akademie mit Vorträgen zu den Konzerten dürfte zu einer alljährlichen Einrichtung werden. Und auch die Idee, junge Menschen mittels eines Stipendiums als „Festival Fellow“ in das Geschehen einzubinden, ist ein guter Ansatz, neues Publikum heranzuziehen.

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