Prozess um die Entführung von Adelinas Stiefvater: Reden per Telefonprotokoll
Wer hat dich auf mich gehetzt?
Haben die beklagten Russlanddeutschen Sergej Z. nur gefragt, ob er etwas mit der Ermordung seiner Stieftocher Adelina zu tun hat – oder haben sie ihn gleich per Selbstjustiz entführt, bedroht und zusammengeschlagen, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen? Dieser Frage ist das Landgericht gestern am dritten Prozesstag gegen die beiden Beklagten Harry K. und Johann M. wenigstens einen Deut näher gekommen.
Protokolle abgehörter Telefongespräche brachten endlich mehr Licht ins Dunkel – und einen leisen Eindruck davon, wie verzweifelt und verbittert Adelinas Mutter Oksana Z. war, seit ihre Tochter verschwunden war.
Oksana Z.: „Ich hasse die ganze Welt“
Sergej Z. hatte den Prozess mit seiner Aussageverweigerung am ersten Prozesstag fast zum Platzen gebracht. Richter und Staatsanwalt schienen ratlos. Jetzt wurde das Schweigen des Hauptbelastungszeugen gebrochen – genau wie das von Oksana Z., die gestern gleichfalls vor Gericht stumm geblieben war.
„Ich verdächtige alle. Ich hasse die ganze Welt“, sagte Oksana Z. laut Protokoll eines abgehörten Telefongesprächs am 10. Oktober zu ihrem Ex-Gefährten Sergej Z.
Vier Tage zuvor war nach drei Monaten Suche die stark verweste Leiche von Adelina gefunden worden, zehn Tage zuvor waren Sergej Z. im Wald vier Rippen gebrochen und ein Messer ins Gesäss gestossen worden.
„Man hat mir eine Schlinge um den Hals gelegt, ich dachte, dass sie mich gleich abknallen“, rief der 32-jährige Sergej Z., der offensichtlich am Telefon herausfinden wollte, was seine Ex mit der Entführung zu tun hatte. Sergej: „Wer hat dich auf mich gehetzt?“ Oksana verneinte: „Keiner.“ Gleichzeitig betonte sie: „Ich werde mit allen abrechnen, die Schuld haben.“ Sergej : „Willst du Krieg?“ Auch hier wieder keine eindeutige Antwort von Oksana.
Nach der Entführung Adelinas Ende Juni vergangenen Jahres hatte Oksana Adelinas Stiefvater immer stärker in Verdacht: Mitte September hatte es Hinweise in einer TV-Sendung gegeben, außerdem hatten Wahrsager, die sie in der Ukraine befragt hatte, den Tipp gegeben. Daraufhin hatte Oksanas Bekannter, der Angeklagte Johann M., den Stiefvater ins Gebet genommen. „Er sprach mit ihm von Mann zu Mann“, heißt es dazu im Vernehmungsprotokoll.
Ob da mehr und auch gewalttätiger Druck auf Sergej Z. war, ließ sich gestern auch anhand der abgehörten Telefongespräche nicht rekonstruieren. Aber es gibt Andeutungen: „Man wollte dir was Gutes tun, und du hast nur Scheiße gemacht“, sagte der angeklagte 51-jährige Harry K. laut Protokoll zu Oksana. Und zwar genau zu der Zeit, als die Polizei Anfang des Jahres aktiv wurde und mögliche Beschuldigte vernehmen wollte. Oksanas Anwort deutet hingegen darauf hin, dass sie Harry K. zwar gedrängt hat, auf Sergej Z. einzuwirken – aber auch nicht auf mehr.
Ja, „irgendwie“ habe sie „das Gefühl, als ob ich jemanden zu etwas genötigt hätte“, bedauert die Mutter in einem Gespräch. Ein paar Tage später sagt sie: „Aber ich habe niemanden um nichts gebeten.“
Kai Schöneberg
Nächster Verhandlungstag: Dienstag, 13.8., 9 Uhr im Landgericht
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