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Reformen? Vielleicht!

Proteste in Indonesien gegen Pläne für eine spätere Einführung der Direktwahl des Staatsoberhaupts

BANGKOK taz ■ Mehrere tausend Menschen haben gestern wieder vor dem Parlamentsgebäude in Indonesiens Hauptstadt Jakarta demonstriert. Dabei rissen die mehrheitlich studentischen Demonstranten ein Tor nieder, um das Gelände zu stürmen. Die Polizei antwortete mit Wasserwerfern. In dem Gebäude tagt noch bis Samstag die Beratende Volksversammlung, das höchste politische Gremium des Landes. Der seit Tagen andauernde Protest war der massivste seit Amtsantritt von Präsidentin Megawati Sukarnoputri vor gut einem Jahr. Er richtet sich gegen jene Abgeordnete, die politische Reformen blockieren.

Dieser Vorwurf trifft auch Präsidentin Megawati. Warf sie doch erst vor wenigen Wochen die Frage auf, ob das Land überhaupt reif sei für eine Direktwahl des Staatsoberhaupts ab 2004. Ihr Vorschlag lautete, man solle damit bis 2009 warten. Dahinter steckt ein Machtkalkül Megawatis und ihrer Partei PDI-P. Denn diese fürchtet, bei baldigen Direktwahlen an Boden zu verlieren. In Megawatis erstem Regierungsjahr ließen Reformen im Justizwesen weiter auf sich warten, monieren Kritiker. Die Korruption wuchere mehr denn je.

Trotzdem erscheint politischen Beobachtern Megawatis Position ambivalent. Denn hätte der Inselstaat direkte Wahlen, wäre die Tochter des Staatsgründers Sukarno wohl schon 1999 an die Macht gekommen. Ihre Partei erhielt bei der damaligen Wahl die meisten Stimmen. Doch die Beratende Volksversammlung fädelte einen Deal mit den Anhängern des gemäßigten Muslimführers Abdurrahman Wahid ein und für Megawati blieb zunächst nur die einflusslose Vizepräsidentschaft.

So etwas wäre bei Direktwahlen unmöglich. Doch damit wäre eigentlich auch die Beratende Volksversammlung überflüssig. Die Hauptaufgabe des nur einmal im Jahr zusammentretenden Gremiums war bisher die Wahl und Bestätigung oder Absetzung des Staatsoberhaupts. Die Versammlung setzt sich aus dem 500-köpfigen Parlament sowie 200 ernannten Provinz- und Standesvertretern sowie Militärs zusammen. Bei einer Direktwahl würde auch das Militär einen Teil seiner Macht verlieren.

Gestritten wird über Vorschläge, eine Direktwahl nur bei einer absoluten Mehrheit anzuerkennen, sonst aber die Beratende Volksversammlung wieder entscheiden zu lassen. Dann hätte sie auch künftig freie Hand für Deals wie im vergangenen Jahr, als Wahid wegen Unfähigkeit geschasst und Megawati doch noch Präsidentin wurde. NICOLA GLASS

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