die ehre der strizzis von WIGLAF DROSTE:
Ach ja, unsere Kleinwüchsigen: Dieser Tage laufen Chefredakteure wie Stefan Aust und Giovanni di Lorenzo aufgeregt unter ihren Konferenztischen herum, strampeln und pumpen sich gewaltig auf. Was zwergeln sie so nervös? Steht ihnen das Pfützenwasser bis zum Hals? Nein – es ist viel, viel schlimmer. Es geht um alles, um unsere Demokratie, um unser aller Meinungsfreiheit. Die ist bedroht, und nur eine Zeitung kann die Gefahr abwenden: Bild, denn Bild kämpft, und deshalb kämpfen unsere Kleinsten jetzt für Bild.
Demokratie gilt, zumindest ihrer Definition nach, für alle. Auch der Abschaum hat ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Davon leben Blätter wie Focus, Bild und Junge Freiheit und die zugehörigen Chefredakteure Markwort, Diekmann und Stein. So wie eine Demokratie ihre Feinde nicht einfach verhaften oder erschießen lassen kann, weil irgendjemandem gerade danach ist, so muss man auch diese Figuren gewähren lassen. So ist das, das sind die Spielregeln. Sich aber dem Abschaum noch publizistisch an den Hals zu werfen, ist nicht notwendig. Verfolgte Sittenwächter aus dem Hause Springer? Du krichst die Tür nicht zu, hätte meine Omma gesagt.
Bild ist die Institution der Niedertracht. Bild ist die Waffe, mit der Menschen in den Kot getrieben werden. Im Juni feierte Bild sein 50-jähriges Bestehen. Das so genannte Intelligenzfeuilleton zog sich auf feige, appeasementhafte Ironie zurück, als sei an Gemeinheit irgendetwas komisch. Bild ist nicht lustig und nicht ironisch rezipierbar. Sondern die widerliche Mischung aus Blut, Macht und Samenraub. Regression plus Aggression ist gleich Bild. Für ihren Chefredakteur Kai Diekmann, eine Blut- und Samenschleuder aus Beruf und Neigung, ist die Würde des Menschen ein Groschenartikel. Jetzt pocht der Schurke auf Honorigkeit. Man sollte das Schmierenstück verfilmen: Die Ehre der Strizzis.
Und die Gegenseite? Ist so erbärmlich schwach, weil sie sich selbst längst erledigt hat. Der SPD-Funktionär Müntefering machte noch im vergangenen Sommer brav mit bei der Bild-Aktion „Politiker schreiben Urlaubskarten an Bild-Leser“ und ließ sich „Münte“ nennen. Jetzt klagt der brötchendumme Mann, dass Bild nicht mehr lieb zu ihm ist – und das, wo er doch so tapfer geschleimt hat bei Diekmann. Die Würdelosigkeit der Sozialdemokratie ist nicht auf Rudolf Scharping beschränkt. Wer mit Abschaum Geschäfte macht, soll bitte nicht jammern, wenn er im Abschaum ersäuft.
Auch die noch kleineren Sozialdemokraten, die Grünen, müssen einem nicht Leid tun. Rezzo Schlauch hat sich einen Flug für 7.000 Euro erschummelt – das ist sein Preis, das ist sein Korruptionsniveau, dafür kann man ihn haben. In Schlauch finden Kleingeld und Kleingeist zueinander, und der Mann brüstet sich noch damit. Möge ein Kellner kommen und ihn forttragen.
Es ist ein Dreck, in dem wir leben; etwas anderes ist nicht da. Und dennoch: Aus irgendwelchen sentimentalen Gründen weigere ich mich, diesen Dreck der Bild und anverwandten Halunken zu überlassen.
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