: Keine Finanzhilfen für Berlin
Finanzminister Hans Eichel (SPD) erklärt, der Bund werde „nicht für Berlin einspringen“. Denn dessen Finanzlage sei „noch viel schlimmer“ als die der Hauptstadt. Senat hofft wenigstens auf Schuldenhilfe
von ROBIN ALEXANDER
Ein Politiker erklärt dem gewöhnlichen Berliner die Welt. Das in etwa ist der Zweck eines so genanntes Leserforums. Ein solches veranstaltete die Berliner Zeitung am Mittwochabend mit dem Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Kein Journalist, sondern Leser fragen: Nach Steuererhöhungen, Ehegattensplitting, Schwarzarbeit und was ihnen sonst so einfällt. Dem gewöhnlichen Berliner fällt auch ein: „Wie weit muss sich die finanzielle Lage Berlins verschlechtern, dass der Bund einspringt?“ Und Eichel antwortet treuherzig offen: „Der Bund kann gar nicht einspringen. Die Finanzlage von Bremen und dem Saarland etwa ist noch viel schlimmer als in Berlin. Und die vom Bund ist noch schlechter.“ Weiter führt der Finanzminister an, Berlin habe „riesige“ Ausgaben. Eichel schließt: „Es ist jetzt die Aufgabe des Senates und nicht des Bundes, den Haushalt in Ordnung zu bringen.“ Da war die Nachricht in der Welt: Berlin kriegt keine Hilfen vom Bund.
Eine schlechte Nachricht für den Senat? Aber nein, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer: „Wir haben immer gesagt, dass wir unsere Probleme selber lösen müssen.“ Eben dies sei ja der berühmte Wowereit’sche Mentalitätswechsel, dass Berlin seine Haushaufgabe mache, bevor es an andere Ansprüche stelle. Außerdem spreche Eichel nur von der Finanzlage, nicht von der Schuldenlage. Meint: Wenn wir unser Haushaltsdefizit allein stemmen, können wir bei unseren hohen Schulden vielleicht doch mit Hilfe vom Bund und den anderen Bundesländern rechnen.
„Eichels Argumentation trifft nicht zu“, meint Uwe Götze, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Abgeordnetenhaus. Die Pro-Kopf-Verschuldung Berlins sei deutlich höher als etwa die Bremens, das zudem auch höhere Steuereinnahmen erziele. In der Vergangenheit hatte die CDU mehrmals versucht, Bundeshilfe auch für laufende Berliner Ausgaben zu erreichen, indem sie diese zu „Hauptstadtaufgaben“ zählte. So hoffte man bis zu 700 Millionen Euro zusätzlich vom Bund zu erhalten.
Auch der grüne Haushälter Jochen Esser sagt: „Eichels Begründung ist schwach.“ Der Finanzminister ignoriere die „Schuldenfalle, in der wir längst stecken“. Sparen allein rette Berlin nicht, „da wir alles Ersparte sofort als Zinsen zur Bank tragen müssen“. Auf Einsicht beim Bund hofft Esser nicht: „Dann muss es eben über die Gerichte gehen.“
Martin Matz, FDP-Haushaltsexperte, glaubt, dass die Debatte um das Eichel-Statement ein schlechtes Licht auf die Berliner Politik werfe: „Es gilt hier immer noch als Gemeingut, der Bund werde schon irgendwann unsere Probleme lösen.“ Auch der rot-rote Koalitionsvertrag lasse durchblicken: „Erst basteln wir ein bisschen selbst und dann hilft der Bund.“ Das sehe man in der Bundesregierung offensichtlich anders. Berlin müsse endlich seine Ausgaben „drastisch reduzieren“. Der Senat, so Matz, solle „sich endlich zu betriebsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst durchringen“. Auch im Falle eines Regierungswechsels gebe es keinen Anlass, auf Bundeshilfen zu hoffen, so das Mitglied im FDP-Bundespräsidium: „Eine Neigung, Berlin irgendetwas zu schenken, wird es bei keiner Bundesregierung geben – auch nicht bei einer schwarz-gelben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen