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Gelbe Seiten aus Wolfsburg

Bessere Vermittlung, Zeitarbeit, Kredite für neue Jobs: Die Ideen für ein Jobwunder und die Probleme, die es bei der Umsetzung des Konzepts geben wird

von BARBARA DRIBBUSCH

Individuellere Vermittlung: Die lokalen Arbeitsämter werden zu Job-Centern umgestaltet. Dort werden auch erwerbsfähige ehemalige Sozialhilfeempfänger betreut. Die Vermittler sollen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden und entsprechend mehr Zeit für Stellenakquise und Vermittlung haben. Schwerer zu integrierende Arbeitslose sollen zusätzlich von Fallmanagern betreut werden.

Problem: Noch unklar ist, wo genau das Personal für die bessere Vermittlung herkommen sollen.

Familienorientierte Vermittlung: Arbeitslose, die „besondere Verantwortung tragen für abhängige betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige“, sollen künftig bevorzugt vermittelt werden. Bei gleicher Eignung gegenüber anderen Bewerbern sollen ihnen beschleunigt Stellen angeboten werden. Vermittler, die diesen Personen zu einem Job verhelfen, bekommen besonders viel Bonuspunkte in einem Anreizsystem für Arbeitsamtsbeschäftigte.

Problem: Diese Form der Vermittlung soll Familienvätern und -müttern sowie Alleinerziehenden helfen. Wie aber verheiratete arbeitende Mütter eingeordnet werden, geht aus dem Hartz-Papier nicht hervor.

Schnellere Vermittlung: Gekündigte müssen sich künftig schon zum Zeitpunkt der Kündigung beim Arbeitsamt als jobsuchend melden. Wer sich später meldet, muss mit Abzügen beim Arbeitslosengeld rechnen.

Problem: Keines.

Neue Zumutbarkeitsregeln: Bisher schon gilt die Zumutbarkeitsregel, dass jedem Arbeitslosen ein halbes Jahr nach Eintritt der Erwerbslosigkeit ein Job zugemutet werden kann, dessen Bezahlung nicht höher liegt als das Arbeitslosengeld. Der Job muss auch nicht der früheren Qualifikation entsprechen. Diese Regel wird erweitert: Alleinstehenden jüngeren Langzeitarbeitslosen kann jetzt auch zugemutet werden, eine Stelle innerhalb des gesamten Bundesgebietes anzunehmen und deswegen umzuziehen. Wer eine zumutbare Stelle ablehnt, muss mit Sperrzeiten rechnen. Alternativ kann auch das Arbeitslosengeld um bis zu 30 Prozent gekürzt werden.

Problem: Auch Singles haben ihre Lebensmittelpunkte oder leben in Partnerschaften.

Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe: Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sollen wie andere Arbeitslose auch in Job-Centern betreut und vermittelt werden. Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen zusammengelegt werden. Damit entsteht ein neues Leistungsgefüge für Arbeitslose. Künftig gibt es das so genannte „Arbeitslosengeld 1“. Es entspricht dem bisherigen Arbeitslosengeld, das nach dem zuvor erzielten Lohn errechnet und in der Regel bis zu 12 Monate lang gezahlt wird, für Ältere auch bis zu 32 Monate. Dann gibt es das „Arbeitslosengeld 2“. Diese Leistung bekommen Erwerbslose, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld abgelaufen ist, die also bisher Arbeitslosenhilfe bezogen. Dieses „Arbeitslosengeld 2“ bekommen aber auch die bisherigen Sozialhilfeempfänger, die als erwerbsfähig eingestuft werden. Diese Einstufung sollen die Fallmanager des Job-Centers gemeinsam mit ärztlichen Diensten treffen. Das Arbeitslosengeld 2 soll „bedürftigkeitsabhängig“ und „steuerfinanziert“ sein. Eigenes Vermögen und der Verdienst von Familienangehörigen wird angerechnet. Nicht erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sollen das so genannte Sozialgeld bekommen, dessen Höhe in etwa der bisherigen Sozialhilfe entspricht.

Problem: Bisher galten für die Arbeitslosen- und Sozialhilfebezieher unterschiedliche Bedingungen. Wie sie vereinheitlicht werden sollen, ist noch unklar. Die bisherige Arbeitslosenhilfe bemisst sich nach dem vorher erzielten Verdienst, die Sozialhilfe aber deckt nur das Existenzminimum ab. Bei der Sozialhilfe wird außerdem das Einkommen von Eltern und Kindern berücksichtigt, bei der Arbeitslosenhilfe zählt nur der Verdienst der Ehegatten. Für Bezieher von Arbeitslosenhilfe werden zudem Rentenbeiträge gezahlt, für Sozialhilfeempfänger aber nicht.

Personal-Service-Agenturen: Für eine bessere Integration von Arbeitslosen sollen so genannte Personal-Service-Agenturen (PSA) gegründet werden, die wie Zeitarbeitsfirmen funktionieren. Vor allem Langzeitarbeitslosen, die mindestens ein halbes Jahr ohne Job sind, soll eine Stelle in der PSA angeboten werden. Dabei sind sie sozialversicherungspflichtig bei der PSA beschäftigt und werden an private oder gemeinnützige Unternehmen ausgeliehen. Während einer maximal sechsmonatigen Probezeit erhalten sie einen Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes. Nach Ablauf der Probezeit wird dann ein PSA-Lohn gezahlt, der „in tarifliche Strukturen“ eingebunden sein soll. Die PSA-Vergütung wird auch in der verleihfreien Zeit gezahlt. Ein von der PSA angebotener Job darf nicht abgelehnt werden, sonst drohen Kürzungen beim Arbeitslosengeld.

Problem: Manche Arbeitslosen befürchten, dass mit Hilfe der PSA nur der Druck erhöht wird, niedrig bezahlte Jobs unterhalb der eigenen Qualifikation annehmen zu müssen. Unklar ist auch, wer aus der privaten Wirtschaft diese Arbeitslosen denn entleihen soll.

Ältere Arbeitslose: Arbeitslose mit mehr als 55 Jahren können im so genannten Bridge-System auf eigenen Wunsch darauf verzichten, eine Arbeit vermittelt zu bekommen. Sie bleiben aber sozialversichert und erhalten statt des Arbeitslosengeldes eine Leistung, deren Höhe im Hartz-Papier noch nicht festgelegt ist. Die Teilnehmer am Bridge-System werden künftig in der Arbeitslosenstatistik gesondert ausgewiesen. Wenn ältere Arbeitslose aber einen Job annehmen, der schlechter bezahlt ist als die Stelle vor der Arbeitslosigkeit, bekommen sie einen Zuschuss zum Lohn. Entsprechend höhere Sozialbeiträge werden gezahlt. Arbeitslose über 50 können künftig befristet eingestellt werden.

Problem: Wenn über 50-Jährige befristet eingestellt werden dürfen, dann könnte das schnell zum Regelfall werden. Im Übrigen dient das freiwillige Ausscheiden Älterer aus der Arbeitsvermittlung vor allem dazu, die offizielle Arbeitslosenzahl zu verringern.

Das Ausbildungszeit-Wertpapier für Jugendliche: Eine neu zu gründende gemeinnützige Stiftung soll für Jugendliche so genannte „Ausbildungszeit-Wertpapiere“ auflegen. Diese Wertpapiere helfen bei der Schaffung zusätzlicher Ausbildungsstellen, indem sie Unternehmen Zuschüsse für neu geschaffene Lehrstellen zusichern oder den Jugendlichen ermöglichen, das Geld direkt für ihre Ausbildung einzusetzen. Das Wertpapier soll über Spenden und Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden. Das Hartz-Papier schlägt vor, dass auch Großeltern bei der Stiftung ein solches Wertpapier zeichnen und ihren Enkeln schenken könnten.

Problem: Diese Wertpapiere müssen fair verteilt werden, damit nicht künftig nur der Nachwuchs betuchter Eltern sich quasi seinen Ausbildungsplatz selbst kaufen kann.

Die Ich-AG: Arbeitslose, die sich in die Selbstständigkeit wagen, können eine so genannte Ich-AG gründen. Bis zu einer Verdienstgrenze von jährlich 25.000 Euro müssen sie dann nur eine Pauschalsteuer von zehn Prozent entrichten und erhalten Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen. Diese Regeln gelten für die ersten drei Jahre der Selbstständigkeit.

Problem: Kleinunternehmer, die zuvor nicht arbeitslos waren und nicht subventioniert werden, könnten sich ungerecht behandelt fühlen.

Minijobs: Die Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigungen wird auf 500 Euro angehoben. Dies gilt aber nur für Dienstleistungen in privaten Haushalten und nur für zuvor Arbeitslose und zuvor Nichterwerbstätige.

Problem: Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es für ehemals schwarz arbeitende Putzhilfen jetzt attraktiv wird, offiziell als 500-Euro-Jobber mit 10 Prozent Sozialversicherungsabzug aufzutreten.

Job-Floater: Unternehmen, die eine Stelle neu schaffen und mit einem Arbeitslosen besetzen, erhalten ein Darlehen über einen Gutschein, den „Job-Floater“. Das Darlehen wird durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf dem Kapitalmarkt refinanziert und durch Bundesmittel abgesichert.

Problem: Die Gefahr besteht, dass damit unsicheren Unternehmen nur weitere Kredite gewährt werden, für die am Ende der Bund, also der Steuerzahler, haften muss.

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