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Die Moskauer Kriegsmaschinerie läuft

Unterstützt von den Medien, wird die russische Öffentlichkeit auf einen möglichen Krieg gegen Georgien eingestimmt. Um die Rebellen im Pankisital geht es nur am Rande. Das Thema ist Russlands Militärpräsenz im Transkaukasus

MOSKAU taz ■ „Die internationale Gemeinschaft hat gerade das Nest des internationalen Terrorismus in Afghanistan zerschlagen, wir dürfen aber Georgien nebenan nicht vergessen, wo sich seit kurzem ein ähnliches Nest entwickelt“, warnte Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow vergangene Woche und brach tags darauf zu einer Inspektionsreise in die Garnisonen des Nordkaukasus auf. Die Drohgebärde galt dem Nachbarn Georgien, der sehen sollte, wie Moskaus Verteidigungschef seine Truppen in Kampfeslaune versetzte. All das begleitet von gleichgeschalteten Medien, die sich wieder bestens auf Mobilisierungen aller Art verstehen.

Ende Juli hatten die Beziehungen zwischen Moskau und Tiflis erneut einen Tiefpunkt erreicht. Vermeintlicher Anlass war der Überfall einiger Dutzend Freischärler auf einen Militärstützpunkt in der südlichen Bergregion Tschetscheniens in der Nähe von Itum-Kale. Bei den Gefechten kamen Militärs und Freischärler ums Leben. 14 Rebellen wurden auf dem Rückzug von georgischen Grenzsoldaten festgenommen. Deren Auslieferung hat Tiflis mit Hinweis auf die Genfer Konvention abgelehnt. Erst müsse Moskau Beweise vorlegen, dass es sich bei den Freischärlern um Kriminelle im strafrechtlichen Sinne handele.

Das war aus Moskauer Sicht zu viel des Guten: Da wagt doch der Nachbar, nicht nur das Anliegen des Kreml zurückzuweisen, er verweist auch noch auf die internationale Rechtslage. Seit Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges behauptet Moskau, im georgischen an Tschetschenien angrenzenden Pankisital hätte sich eine Hochburg tschetschenischer und fundamentalistischer Terroristen herausgebildet. Den Beweis hat bis heute niemand erbracht, auch die USA nicht, die im Februar verlauten ließen, es gebe Hinweise, Al-Qaida-Kämpfer hielten sich dort auf – Spekulationen, die Washington wohl in die Welt setzte, um Tiflis Militärhilfe zu gewähren und den „failing state“ Georgien enger an den Westen zu binden. Russlands Außenminister Igor Iwanow behauptete gar, Ussama Bin Laden in den georgischen Schluchten entdeckt zu haben. Russische Militärs und die politische Elite hatten den Westschwenk Wladimir Putins seit dem 11. September ohnehin abgelehnt. Die Präsenz der USA in Georgien besiegelte den faktisch längst vollzogenen Verlust der Kaukasusrepublik.

Inzwischen wird in den oberen Echelons der Macht ernsthaft überlegt, wie mit Georgien weiter zu verfahren sei. Einsatz nackter Gewalt, auf eigene Faust, ohne internationale Rücksprache. Vorsichtigere wollen erst ein Mandat internationaler Organisationen einholen. Andere glauben, eine Absprache mit den Amerikanern, die von der Notwendigkeit eines russischen Eingriffs noch nicht überzeugt sind, reiche aus. Das Magazin Kommersant Wlast schreibt, Colin Powell hätte im Gespräch mit Igor Iwanow „Moskaus Beunruhigung eingesehen“. Sollte Washington im Irak eingreifen, könnte in dem geopolitischen Spiel ganz Georgien zur Disposition stehen. Der Chef des Föderationsrates, Sergej Mironow, glaubt ebenfalls, das russisch-georgische Problem lasse sich nur „gewaltsam mit Hilfe russischer Spezialeinheiten lösen“.

Schritt für Schritt wird die Öffentlichkeit auf einen Übergriff eingestimmt. Insofern legitim, da Georgien die UNO-Resolution Nr. 1373 nicht befolgt, deren Unterzeichner sich verpflichtet haben, auf ihrem Staatsgebiet terroristische Aktivitäten zu unterbinden, meint das Magazin Itogi. 37 Prozent der Russen lehnen ein militärisches Vorgehen im Pankisital ab, ein Viertel setzt die Zustimmung Georgiens voraus. Auf jeden Fall zuschlagen will nur ein Fünftel der Befragten.

Klar ist: die paar versprengten Freischärler im Pankisital sind nicht der wahre Grund der russischen Hysterie. Sollten Russlands Militärs wirklich so naiv sein, den Sieg in Tschetschenien mit einer Trockenlegung des Bergtales gleichzusetzen? Pankisi hat für den Ausgang des Krieges keine Bedeutung. Im Gegenteil, wer sich dorthin verirrt, ist vom eigentlichen Kriegsschauplatz viel zu weit entfernt.

Auch die martialischen Sprüche Sergej Iwanows, Georgien könne ohne Beteiligung russischer Spezialeinheiten das Problem nie lösen, wirft die Frage auf, warum Moskau seine Spezialeinheiten nicht erst in Tschetschenien Klarschiff schaffen lässt, bevor es einen souveränen Staat überfällt. Russlands militärische Präsenz im Transkaukasus ist das Thema. Moskau weigert sich, seine letzten Basen in Georgien zu räumen. Außerdem stehen russische Friedenstruppen mit einem Mandat der GUS-Verteidigungsgemeinschaft in den abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien. Sie tun sich schwer, ihrer Rolle als unparteiische Wächter gerecht zu werden. KLAUS-HELGE DONATH

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