piwik no script img

Im Westen nichts Neues

Not soll ja erfinderisch machen. Auf der Telemesse in Köln, wo die Sender sich alljährlich bemühen, einen besonders guten Eindruck auf die Werbewirtschaft zu machen, war davon wenig zu spüren

„Das Beste hat’s uns weggespült, in Gölpchenswerda an der Mulde“

aus Köln STEFFEN GRIMBERG

Deutschland im Herbst: Die neue TV-Saison beginnt. Davor kommt die Telemesse, auf der die Sender ihr kommendes Programm den Werbezeiteneinkäufern, Agenturen und der Presse vorstellen. Und dann ist da auch noch die Krise: Vom Aufschwung am Werbemarkt kann weiterhin keine Rede sein. Doch die Katastrophenstimmung ist gut gelauntem Optimismus gewichen: „Wer jetzt am TV-Budget spart, gießt das sprichwörtliche Kind mit dem Bade aus“, verkündete Walter Neuhauser ungerührt zum Start der größten Veranstaltung der Branche und orakelt, „dass wir das Tief hinter uns haben“.

Nun ist Neuheuser ein gewisses Eigeninteresse zu unterstellen: Der Chef der IP Deutschland verkauft die Werbezeiten für alle Sender der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden RTL-Familie. Und die Lernfähigkeit des Fernsehens ist begrenzt. Weiter so – und darauf vertrauen, dass es irgendwann wieder wie früher wird, ist das Credo der an Erfolg gewöhnten Branche. Solange wird eben gespart: An den Kosten für die zweitägige Schmooze-Veranstaltung, bei der die Sender und ihre Vermarkter die Werbezeiteneinkäufer umgarnen. Und am Programm selbst: Neues ist, wie zu erwarten, kaum zu sehen.

Weil Sat.1 mit seinen Gerichtsshows am Nachmittag Quotenpunkte holt, wirft Marktführer RTL gleich zwei Law-and-Order-Formate ins Programm („Strafgericht“, „Familiengericht“) und baut die Serienschiene mit bewährter Kost aus: Die „Alarm für Cobra 11“-Macher schicken jetzt zusätzlich noch weibliche „Wilde Engel“ ins Rennen, und im Quizbereich bricht sich endgültig das Honoratiorenfernsehen Bahn: Nach „Deutschlands klügsten Lehrern“ stehen uns ebensolche Bürgermeister und Geistliche ins Haus.

Krimi funktioniert ohnehin immer, also gibt es demnächst „Die Sitte“, „Abschnitt 40“ und die Gerichtsmediziner-Serie „Sektion: Die Sprache der Toten“. Fürs jüngere Publikum sind die „Schulmädchen“ dabei, wo als Oberklässler verkleidete 28-jährige Cosmopolitan-Schnepfen durchs Bild staksen. Wie gut, dass angesichts so viel Wagemuts wenigstens Gerhard Zeiler nicht den Sinn für feinere Ironie verliert: „Wir scheuen uns nicht vorm Risiko“, sagt der RTL-Chef markig – und meint die deutsche Version der britischen Megaerfolgs „Pop Idol“. Das Konzept, im ganzen Land den „Superstar“ suchen zu lassen, klingt nicht nur nach „Pop-“ bzw. „Teenstars“. Es ist dem RTL-2-Format offenbar so ähnlich, dass nun der Schwestersender Vox in den fragwürdigen Genuss kommt, die Vorausscheidungen zu versenden.

Die einstmals Kirch’sche Konkurrenz präsentierte sich dagegen als solider Senderblock. Familienbande zählen in Krisenzeiten eben doppelt, auch wenn noch längst nicht klar ist, wer die neuen Pflegeeltern sind. 100 Minuten währte der Trailer-Overkill. Und während Harald Schmidt mit Sat.1-Chef Martin Hoffmann vergnüglichst übers eigene Programm dahinblödelte („Das Beste hat’s uns weggespült. Das hatten wir vor dem Insolvenzverwalter versteckt, im geheimen Sat.1-Filmlager in Gölpchenswerda an der Mulde“), bemühten sich Pro7 und Kabel 1 nach Kräften, den guten Eindruck wieder wettzumachen.

So viel zum Positiven: Die Brit-Comedies „Big Train“ und „Pieces“ schaffen es auf den Pro7-Schirm, und Kabel 1 zeigt alle „Winnetou“-Folgen. Sat.1 behält seinen Charme als TV-Sender zum Ausprobieren: „Die Anstalt – zurück ins Leben“ versucht als erste Serie einen Psychiatrie-Plot mit Realitätsanspruch. Die Zahl der TV-Events wurde zurückgefahren, verspricht mit „Das Wunder von Lengede“ über das Grubenunglück von 1963 aber solide TV-Kost à la „Der Tunnel“.

Und dann schlurfte inmitten der Kabel-1-Präsentation plötzlich Ollie Dittrich mit Cowboyhut auf die Bühne, Uschi Glas durfte im Video-Einspieler über J.R.s Verhältnis zu Frauen schwafeln, und – zack: Stand da wirklich Larry Hagman und erzählte, dass er vor 48 Jahren seine Flitterwochen in Garmisch verbracht hat – ja, auch „Dallas“ wird wiederholt. Wenigstens eine Erfolgsgeschichte gibt es also im deutschen TV-Herbst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen