Interview mit Heidi Knake-Werner: Auf Wahlkampf-Tour im Bremer Gewerkschaftshaus
Berlin aus dem Dreck ziehen
Auf Wahlkampf-Tour in ihrer langjährige Heimat Bremen sprach die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) mit der taz. taz: Was wäre passiert, wenn die große Flut Bitterfeld und Dresden vor 20 Jahren getroffen hätte?
Heidi Knake-Werner: Der ganze Westen wäre über diese marode DDR hergefallen, die nicht in der Lage ist, ihre Städte vor dem Hochwasser zu schützen.
Sie haben die ersten linken Demonstrationen gegen die linke Sozialsenatorin erlebt. Was ist das für ein Gefühl?
Eine Demonstration. Dabei war mir etwas zwiespältig zumute. Ein Dissens insbesondere mit meiner Verwaltung besteht in der Frage, ob wir den Asylbewerbern Geld geben können oder bei Sachleistungen wie Chipkarten bleiben müssen. Ich habe mich für Barleistungen entschieden. Im März war ich mit meiner Behörde aber noch nicht ganz im Reinen, so dass die Chipkarten für ein Jahr verlängert wurden. Wenn ich dann von den Flüchtlingsinitiativen die rote Chipkarte verliehen bekomme wegen rassistischer Politik, dann macht mich das schon betroffen. Was haben die eigentlich den Senatoren vorher gesagt? Da sind die Maßstäbe etwas verrutscht.
Warum gehen Sie in solchen Spar-Zeiten in die Regierung? Quälen Sie sich nicht selbst?
Es ist ein schwieriger Prozess. Aber wer in Ostberlin 50 Prozent der Stimmen bekommt, der kann nicht sagen: Weil es mir persönlich besser dabei geht, bleibe ich Opposition. Die Menschen haben uns zugetraut, dass wir aufräumen in Berlin. Dass wir die Karre aus dem Dreck ziehen.
Kriegen Sie das hin?
Wir müssen die Finanzen konsolidieren, sonst können wir auf die Zukunft pfeifen. Es gibt auch Sparmaßnahmen, die etwas Positives bewirken können.
Zum Beispiel?
Die Sozialhilfekosten sind in Berlin der dickste Brocken. Wir wollen nicht die Weihnachtshilfe oder ähnliche Leistungen abschaffen. Ich will Sozialhilfeempfängern die Chance geben, durch eigene Arbeit ihre Existenz zu sichern. Das kostet natürlich auch erst einmal Geld. Am Ende spart es und hilft den Menschen.
Klaus Wowereit will „der letzte Regierende Bürgermeister von Berlin“ sein. Die Volksabstimmung zur Länderfusion mit Brandenburg steht 2006 an. Sind Sie dafür?
Ja. Es gibt die Bereitschaft für eine Fusion. Man muss von unten beginnen, ganz viele Kooperationsbeziehungen herstellen und die Vorteile einer Fusion erlebbar machen.
Bremen hat ähnliche Probleme. Würden Sie die Fusion Bremens mit Niedersachsen auch sinnvoll finden?
Bremen mit Niedersachsen? Ich will mich hier in Bremen nicht mit meinen Äußerungen unglücklich machen. Aber ich finde, man muss ernsthaft durchdenken, ob diese Stadtstaaten-Modelle heute noch eine Chance haben. Durch ein vereintes Berlin-Brandenburg können viele Synergien erschlossen und auch Kosten gespart werden. Beides halte ich für sinnvoll. Fragen: K.W.
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