themenläden und andere clubs: Eyes without a face
Knorke aussehen ohne Gesichtshaut
Mit enzymangereicherten Säure-Peelings kann man sich die oberste Gesichtshautschicht wegätzen, wenn man Zeit und Lust dazu hat. Und Permanent Make-up ist so eine Art gestrichelte Tätowierung, mit der man Augen und Lippen (komischerweise aber nie die Nase) umrunden lässt. Beides soll angeblich kein Stück wehtun, sondern knorke aussehen, das haben mir nicht begeistert zitternde Masochistinnen erzählt, sondern eine uralte Freundin, mit der ich neulich auf das Thema Schönheitspflege kam.
Diese Freundin ist wirklich uralt, mindestens Elternalter, sah aber, als ich sie an jenem Abend im San Remo Upflameur traf, aus wie ein junges Pfirsich-Vögelchen. Ich selbst sah aus wie Helga Feddersen jetzt. So kamen wir natürlich auch auf das Thema, sie: „Hast du die letzten paar Jahre im Gulag gearbeitet?“ und ich: „Und wieso trotzt du den Zeichen der Zeit?“ Beleidigt redete ich mich auf Stress heraus. „Geh mal zur Kosmetikerin“, riet mir meine jung gebliebene alte Freundin, „das entspannt und ist lustig.“
Das ist es wahrhaftig. Ich bin begeistert. Die Kosmetikerin, die mich in die Geheimnisse der Fruchtsäuregifte einweihte, sieht aus wie ein großes, freundliches, gepflegtes Pferd, ein glänzend gestriegelter Schimmel vielleicht, und hat eine wohl tönende Call-Canter-Stimme. Sie bettet mich in einen halbdunklen Raum, und nebenan fängt alsbald George Zamphir zusammen mit ein paar Vögelchen und dem Meer an, zu flöten und zu rauschen. George Zamphir ist eigentlich hassenswert, doch die Kosmetikerin scheint Tee zu kochen, bläst mir dabei frech den Kamilledampf ins Gesicht und versetzt mich damit in Stase. Der Schimmel liest die Speisekarte vor: „Ich trage jetzt auf: eine Creme aus Haselnüssen, Aloe Vera und Olivenöl.“ Ich frage nach dem Tee, aber die Kosmetikerin winkt herablassend ab. „Der Kamilledampf öffnet die Poren, damit der Talg abfließen kann“. Igitt, denke ich, wo fließt der Talg denn hin? Auf das weiche Handtuch? Wird er irgendwo unterm Liegestuhl gesammelt, um daraus Lampenöl und Biokerzen herzustellen? Ich muss an das Irvings „Die wilde Geschichte vom Wassertrinker“ denken, in dem der Protagonist einmal das Gefühl hat, all seine Poren öffneten sich auf einmal und guckten das Gegenüber an. Zu lange im Teedampf gesessen, vermutlich.
Die Kosmetikerin pinselt mich mit „einer Maske aus frischen Zutaten“ ein wie einen Kuchen. Dann machen wir Kosmetikerinnen-Konversation, die so wie Friseur-Konversation geht, nur esoterischer. „Welches Sternzeichen sind Sie?“ – „Ähem, weiß nicht, ich lese immer alle Horoskope und suche mir das beste aus.“ – „Haha, jaja, das ist auch eine Möglichkeit“. Schweigen. Pinseln. Einen Metallstift reinstecken um zu gucken, ob’s gar ist. „Ist’s so angenehm?“ „Jaaaa, sehr angenehm.“ George Zamphir ist fertig, dafür sitzt jetzt Richard Claydermann da, und hat einen Aborigine dabei, der Didgeridoo bläst. Huah. Nebenan erzählt eine Frau von ihren Hühneraugen.
Muss eingeschlafen sein, wache wieder auf, als mir jemand das Gesicht mit einem Tuch einwickelt. Vermutlich bin ich tot und werde einbalsamiert, und in der Hölle läuft Richard Claydermann. Da höre ich, wie sich die Kosmetikerin räuspert. „So, jetzt haben die Enzyme richtig gearbeitet“, sagt sie und entlässt mich vor einen Spiegel. Whow. Sehe aus wie Jeanette Bidermann. Wie Lucy No Angel. Wie ein Viva-VJ. Am Bauch wie Anastacia. Ich gehe sofort ins San Remo und führe mich meiner uralten Freundin vor. Die erkennt mich zuerst nicht. Erst, als ich mit den Händen meine Gesichtshaut zusammendrücke, bestellt sie mir einen Schnaps. Wir feiern so lange, bis wir den Behringgraben unter den Augen haben, beschränkt von Falten, tief wie der Loch Ness. Macht nichts. Wir kennen ja jetzt das Geheimnis. Zur Not ätzen wir die oberste Schicht einfach wieder weg. JENNI ZYLKA
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