: Prügelnde Ehemänner sind normal
In Usbekistan ist Gewalt in der Ehe an der Tagesordnung. Die meisten Frauen trauen sich weder zur Polizei noch an die Öffentlichkeit, wer die Scheidung will, wird stigmatisiert. Eine Organisation in Taschkent bietet den Opfern jetzt Hilfe an
aus Taschkent PETER BÖHM
Rahema Bugalova* spricht leise und stockend. Sie hat eine schwere Zeit hinter sich. Während der sieben Jahre ihrer Ehe wurde die 26-Jährige oft von ihrem Mann geschlagen. Zuletzt im August vergangenen Jahres mit einem Staubsaugerrohr und allem, was ihrem Mann sonst noch in die Hände fiel. Erst zwei Tage später ging sie mit schweren Verletzungen und Prellungen ins Krankenhaus. Trotzdem drängte ihre Mutter sie, nicht zur Polizei zu gehen. „Du hast drei Kinder. Sollen die ohne Vater aufwachsen?“
Doch die junge Frau konnte nicht mehr. Im Radio hatte sie von „Mihri“ gehört, einer privaten Organisation in Taschkent, die Frauen hilft, die Opfer von Gewalt in der Ehe wurden. Dorthin wandte sie sich um Hilfe. Heute ist sie geschieden und hat ein Strafverfahren gegen ihren Exmann eingeleitet.
Rahema Bugalovas Fall ist typisch. Laut der Umfrage eines usbekischen Regierungsinstituts betrachteten über 60 Prozent der Frauen Gewalt in der Ehe als „normale Situation“. Nur sehr selten jedoch werden diese Fälle öffentlich oder die prügelnden Ehemänner zur Rechenschaft gezogen. Denn usbekische Medien berichten nicht über die Selbstmorde von Frauen – oft durch Selbstverbrennung, weil sie nach lokalem islamischen Verständnis so ins Paradies kommen.
Die Gerichtsverfahren sind bürokratisch und machen es den Männern leicht, die Prozesse zu verschleppen. Geschieden zu werden, ist für Frauen schwierig und gilt als Stigma. Oft drängen die Verwandten und auf dem Land vor allem die lokalen Verwaltungen, die Frauen, sich nicht an die Polizei zu wenden. „Gewalt in der Ehe ist weitverbreitet in Zentralasien und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion“, sagt Duna Abdurazakova, Beraterin für Frauen und Familie beim UNO-Entwicklungsprogramm in Taschkent. „Usbekistan ist eines der Länder, in dem das Bewusstsein dafür am geringsten ist.“ Im Westen habe es in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine breite Diskussionen zu diesem Thema gegeben. „In der Sowjetunion wurde das totgeschwiegen.“
Dennoch hatte die sowjetische Politik auch einen positiven Einfluss auf die Stellung der Frauen in Zentralasien. In den elf Jahren seit der Unabhängigkeit ist die Haltung der usbekischen Regierung jedoch zunehmend ambivalent gegenüber dem sowjetischen Erbe geworden. Einerseits will sie die säkulare Tradition beibehalten, andererseits versucht sie den russischen Einfluss zurückzudrängen. So hat sich die Situation der Frauen seit der Unabhängigkeit in vielen Bereichen verschlechtert. Die Zahl der Vielehen, die nichtstaatlich vor einem islamischen Geistlichen geschlossen werden, hat wieder zugenommen. Das Durchschnittsalter, in dem Frauen heiraten, ist gesunken – es liegt bei 21 Jahren –, und der Anteil der Frauen, die eine höhere Schulen besuchen, ist stetig geschrumpft.
Zudem ist in Usbekistan der Kontrast zwischen den Städten und den ländlichen Regionen groß. Während in der Hauptstadt Taschkent die Frauen Miniröcke und hautenge Hosen tragen, ist auf dem Land die Tradition wieder auf dem Vormarsch. Dort, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), müssen die Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, durch ein jahrelanges Prozedere gehen, um sich von ihrem Mann zu trennen. Oft versuchen die lokalen, „Marhalla“ genannten Verwaltungsgremien, die Frauen mit ihren Männern zu versöhnen und drängen sie, sich nicht scheiden zu lassen. Da es vom Einverständnis der Marhallas abhängt, ob ein Verfahren gegen die Männer eingeleitet werden kann, ist den Opfern oft der gerichtliche Weg versperrt.
Aber auch in Taschkent ist die Tradition unter der Oberfläche noch höchstlebendig. Selbst in der Hauptstadt werden in den meisten Fällen die Ehen noch von den Eltern arrangiert. Obwohl Rahema Bugalova aufs Gymnasium gegangen war, heiratete sie mit 18. Ihr späterer Ehemann schickte schon eine Woche, nachdem sie sich kennen gelernt hatten, seine Eltern, um um ihre Hand anzuhalten. Auf die Frage, warum sie nicht eher zur Polizei gegangen sei, sagt sie: „So ist die usbekische Mentalität.“ Und weil das Geld knapp ist. Jetzt sind Rahema Bugalova und ihre drei Kinder auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Die Einrichtung der Wohnung hat ihr Exmann mitgenommen.
* Name geändert
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