: … und alle Klagen offen
Wem die PDS zu mittig ist: 60 Parteiverdrossene treffen sich zum „Linken Ratschlag“ im Haus der Demokratie, um eine Basis für neues linkes Engagement zu finden. Der Grunewaldspaziergang zu den Villen der Bankmanager soll ein Anfang sein
von WOLF VON DEWITZ
Die Veranstalterin blickt verdutzt. Ob sie einer Partei angehöre? Uschi Volz-Walk schüttelt vehement den Kopf. „Ich bin Altautonome.“ Neben ihr steht Michael Prütz, ehemals PDS-Mitglied, doch längst sind auch ihm Harald Wolf & Co. zu sehr in die bürgerliche Mitte abgedriftet. Ihre Veranstaltung heißt „Linker Ratschlag“ und gilt den Menschen, die sich von den etablierten Parteien nicht vertreten, sondern verraten fühlen.
Etwa 60 Linke sind am Samstag ins Haus der Demokratie gekommen, in ihrer politischen Desillusionierung eines Ratschlags bedürftig. Birger Scholz von der Initiative Bankenskandal gibt Auskunft über den Stand der Filzentflechtung im Berliner Bankensumpf und lädt zu einem Grunewaldspaziergang „mit witzigem Charakter“: Die Villen von Landowsky, Rupf und weiteren Bankverantwortlichen sind am 7. September Ausflugsziele. Die Demonstration sei rechtmäßig, da angemeldet. Natürlich werde er „nicht auf Distanz gehen, wenn Wasserbomben fliegen“, so Scholz. Straßentheater und ein dadaistischer Brüllchor stehen auf dem Programm.
Sascha Kimpel von Attac sieht Gegenwart und Zukunft düster: weiterhin steigende Arbeitslosigkeit, völlige Verarmung sozial schwacher Schichten, Mietanstieg und katastrophale Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich. „Es mangelt nicht nur an Geld, sondern auch am Engagement, sich dagegen zu wehren.“
In der Mitte thront mit stoischer Ruhe Peter Grottian. Ihm sei Dank: Gelegentlich entlädt sich die Sommerschwüle. Sei es in Berlin nicht das Gleiche, was in den Hochwassergebieten geschehe: Dort ersaufen Menschen und deren Hab und Gut – „hier ertrinken die Erwerbslosen und soziale Projekte auch, nur anders“, so Grottian gewohnt polemisch. Anstatt die Kürzungen im Haushalt nur zu kritisieren, müsse man sich mit der generellen Frage der Umverteilung beschäftigen: Wie ist denen auf der Sonnenseite das zu nehmen, was andere zu wenig haben?
Eine Vertreterin des Runden Tischs der Erwerbslosen wettert gegen die Hartz-Kommission, eine Frau vom paritätischen Wohlfahrtsverband hält den öffentlichen Dienst für überdimenioniert, und eine couragierte Mutter klagt über Notstand in den Kitas. All das sind nicht wirklich neue Erkenntnisse, zumal im linken Spektrum. Der Hinweis von Veranstalterin Volz-Walk, der „Linke Ratschlag“ sei als Kommunikationsplattform gedacht, kommt der Wirklichkeit am nächsten. Neue Erkenntnisse stehen weniger auf der Tagesordnung als das Zusammensein an sich: Einigkeit macht stark. Die herbeigewünschte „Nagelprobe für die Linke“ ist das noch nicht. Und der „linke Ratschlag“ lautet wohl wie folgt: Geht eurer Ideale nicht verlustig – ihr seid nicht allein! Zumindest nicht an diesem Nachmittag.
Nächster „Ratschlag“ am 28. September im Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4, Prenzlauer Berg
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