: Ungleiche Welt
OECD-Studie: In Deutschland sind die Wohlhabenden noch reicher geworden. Sozialleistungen nehmen ab
BERLIN taz ■ Die Kluft zwischen den Niedrigverdienern und den Wohlhabenden ist in den vergangenen Dekaden innerhalb der Industrieländer breiter geworden. In Deutschland hat dabei die ausgleichende Wirkung von Sozialleistungen und Steuern nachgelassen. Zu diesem Schluss kommt eine jetzt veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die Autoren haben Daten aus zwanzig OECD-Staaten über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander verglichen. Danach haben zwischen Mitte der Achtziger- und Mitte der Neunzigerjahre (neuere Daten liegen leider noch nicht vor) die Einkommensungleichheiten vor allem in Italien und der Türkei zugenommen. Die nächstgrößeren „Ungleichheitssprünge“ machten unter anderem Großbritannien und die Niederlande. In Deutschland ging die Einkommensschere nur ein bisschen weiter auf.
Dabei ist die Armutsquote hierzulande bislang noch relativ niedrig. Sie bezeichnet den Anteil der Bevölkerung, dessen Einkommen um die Hälfte niedriger liegt als das Durchschnittseinkommen.
In Deutschland ist diese Quote im Untersuchungszeitraum von rund 10 auf etwas über 15 Prozent gestiegen. Sehr viel niedrigere Armutsquoten gibt es in den skandinavischen Ländern, höhere hingegen in Großbritannien, der Türkei und den USA. In Deutschland erlebten die zwei unteren Fünftel der Bevölkerung leichte Einkommensverluste. Das reichste Fünftel konnte hingegen Zuwächse verbuchen.
Dabei gab es eine interessante Entwicklung: Die Einkommensunterschiede wurden Mitte der 90er-Jahre durch steuerliche Maßnahmen und Sozialleistungen nicht mehr in dem gleichen Maße abgemildert wie noch zehn Jahre früher, bestätigte Michael Förster, einer der Autoren der Studie, der taz.
In Deutschland ist der Anteil an den gesamten Sozialleistungen, darunter Arbeitslosenunterstützung und Kindergeld, für das untere Einkommensdrittel sogar leicht zurückgegangen. Das bestverdienende Drittel hingegen konnte im Untersuchungszeitraum ein leichtes Plus an Sozialleistungen für sich verbuchen.
In Deutschland bekommt das oberste Einkommensdrittel dabei einen proportional höheren Anteil an Sozialleistungen als das oberste Einkommensdrittel beispielsweise in Frankreich, Dänemark oder Großbritannien.
Alleinerziehende stehen in fast allen Ländern, darunter auch in Deutschland, am Ende der Einkommensskala. Und die Altersgruppe der 41- bis 50-jährigen kann die höchsten Haushaltseinkommen für sich verbuchen. BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen