: Hanseatische Fassade mit Lochblech
In Kürze wird zum achten Mal der Bremer BDA-Preis vergeben. Heute (7) der BDA-Preis 1998 und der dokumentiert einen Hang zur Peripherie
Mitte der Neunzigerjahre entstand in Bremen augenscheinlich gute Architektur. Allerdings weniger in den zentralen Lagen als an den Rändern. Das könnte man jedenfalls beim Betrachten der 98er-Preise schlussfolgern.
Ganz weit im Bremer Osten beispielsweise, wo zwischen Kuhweiden und verkehrsberuhigten ehemaligen Feldwegen der Traum vom Wohnen im Grünen gedeiht. Dort, am Übergang zur offenen Landschaft der Wümmewiesen, liegt das Kaisen-Stift, ein Wohnheim für 24 geistig und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche. Entworfen wurde das KaisenStift von den beiden Architektenteams Hilmes, Lamprecht und Markwart & Amende.
Die Anlage gliedert sich in drei Wohntrakte, mit intimen Höfen dazwischen. Mittelpunkt einer Wohngruppe ist der großzügige Gemeinschaftsraum mit Küche – von außen durch ein markantes Dach erkennbar. Mit der Dachform und der Stülpschalung der höheren Bauteile nehmen die Architekten ortstypische Merkmale auf, während sie in den niedrigeren Bauteilen zu einer konsequent modernen Formensprache finden.
Etwas anders sieht es an Bremens Nordrand, im Ortsteil Lüssum aus. Hier trifft man, eingerahmt von biederen Eigenheimen der Vorkriegszeit, auf eine Siedlung für sozialen Wohnungsbau der 60er und 70er Jahre, die schon kurz nach Fertigstellung als „sozialer Brennpunkt“ stigmatisiert wurde.
Das preisgekrönte „Haus der Zukunft“, von der Hochbauabteilung des Bauamtes Bremen-Nord (Ulrich Helpertz und Helmut Rabien) entworfen, will einen aktiven Beitrag zur Bewältigung der schwierigen Lebensbedingungen im Quartier leisten. Das Haus bietet nicht nur den unterschiedlichsten Initiativen vor Ort Raum, sondern wurde zum Teil von Bewohnern der Siedlung im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme selbst errichtet. Die Identifikation ist entsprechend groß. Darüber hinaus erfüllt der durch viel Glas und Holz geprägte Bau als „Niedrig-Energie-Haus“ auch ökologische Kriterien.
Eine wiederum andere Fassette von Peripherie findet man am Kopf des Fischereihafens I in Bremerhaven. Hier ist es gelungen, im unwirtlichen Industrie-Ambiente mit dem „Schaufenster Fischereihafen“ einen touristischen Anziehungspunkt zu schaffen. Natürlich geht es vor allem um Fisch, aber nicht nur: Auch ein Theater hat sich an diesem Platz etabliert und ein BDA-prämiertes Hotel der Architektin Iffi Wübben.
Die eigenwillige Fassade des langgestreckten Baus am Kohlenkai fällt durch die sich ausbauchenden vertikalen Wandstreifen zwischen den Fensterachsen auf. Sie werden von horizontalen Balkonstreifen mit schwarz-roten Lochblechbrüstungen überlagert. Der Hotelprospekt nennt das unbekümmert „hanseatische Fassade“. In der amorphen, aber ästhetisch spannenden Umgebung aus Industriebauten, Schiffen und Kränen wirkt das Hotel mit seinem gläsernen Treppenturm wie ein vergessener überdimensionierter Wagon – ganz passend zu diesem transitorischen Ort.
Das vierte ausgezeichnete Gebäude, das Messezentrum auf der Bürgerweide von Gert Schulze hat die zentralste Lage. Allerdings, betrachtet man die Baugeschichte des Ortes, mag das zutreffen, was Stadtsoziologen „innere Peripherie“ nennen: ein Überwiegen von Beziehungslosigkeit zwischen den architektonischen und stadträumlichen Teilen auch im Zentrum.
Die ungelöste Anbindung des Bürgerparks an die Bürgerweide ließe sich so verstehen. Schulze versucht, die endgültige optische Abschottung des Parks von der Bürgerweide, die der langgestreckte Baukörper vollzieht, durch den maximalen Einsatz von Glas zu kompensieren. Dadurch wird der Riegel aber keineswegs transparent. In der Fassade spiegelt sich nur der öde Platz. Lediglich der Messebesucher darf sich drinnen an der Baumkulisse erfreuen.
Eberhard Syring
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen