: Unbekannte Attraktion für Billigjobs
Das Arbeitsamt zahlt Arbeitslosen Zuschüsse zu ihren Sozialabgaben, wenn sie eine gering entlohnte Stelle annehmen.Genutzt wird das „Mainzer Modell“ aber kaum. Kritiker sehen darin eine Subventionierung von Dumpinglöhnen
Maria Oliviera hat einen neuen Job. Als Verkäuferin, in Vollzeit. Das Problem der 34-jährigen allein erziehenden Mutter: Von dem Tariflohn, den sie in der europaweit operierenden Modekette bekommt, kann sie nicht leben. Rund 880 Euro netto reichen der Frau, die wegen des Kindes ihr Studium abgebrochen hatte, nicht. Trotz Kindergeld.
Aber Oliviera hat sich kundig gemacht. Im Internet. Gefunden hat sie das Mainzer Modell. Die in Rheinland-Pfalz entwickelte arbeitsmarktpolitische Maßnahme soll Arbeitslose ermuntern, gering bezahlte Jobs anzunehmen. Bis zu 36 Monate lang gewährt das Arbeitsamt, mit EU-Mitteln finanziert, einen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen, die Oliviera abzuführen hat. Immerhin 160 Euro mehr hat Oliviera nun im Portemonnaie.
Seit Mai gibt es das Mainzer Modell auch in Berlin. Doch die Resonanz ist gering. Im Arbeitsamtsbezirk Mitte etwa wurden erst 21 Anträge gestellt, in anderen Ämtern sind es noch weniger. „Damit sind wir nicht zufrieden“, sagt Ramona Schröder, Chefin des Amtes Mitte. „Das Mainzer Modell ist einfach noch nicht bekannt.“ Dabei sei es auch eine Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Wichtiger aber sei, Arbeitslosen eine Perspektive zu geben. Schröders Idee: Wer im Job Fuß fasst, kann sich hocharbeiten oder Selbstvertrauen für neue Stellen entwickeln, wenn die Förderung ausläuft.
Das sieht Katharina Rottmann ähnlich. Die 39-jährige allein erziehende Mutter arbeitet mittlerweile als „Mädchen für alles“ bei Ciabatoni & Crossini, einer Ökobäckerei, die Backwaren ausschließlich aus hellem Mehl herstellt und damit die weit verbreitete Vorstellung durchbrechen will, die Bio-Backwaren gleichsetzt mit dunklem Vollkornbrot. Das Mainzer Modell bessert Rottmanns Gehalt um 165 Euro auf; der Betrieb, den eine Bekannte von ihr gegründet hat, kann nur 1.270 Euro brutto zahlen. Rottmann belegt Weiterbildungskurse in Buchhaltung und Marketing, sie ist glücklich, obwohl sie kaum mehr Geld als als Arbeitslose hat: „In meinem neuen Job blühe ich auf.“ Wenn die Firma floriert, will sie mehr verdienen.
Elisabeth Voß kann dieser Begeisterung wenig abgewinnen. Zwar mag das Mainzer Modell in Einzelfällen helfen, aber man müsse die „fatalen gesellschaftlichen Folgen bedenken“, warnt die Aktivistin der arbeitsmarktkritischen Initiative „Anders Arbeiten“: „Die staatliche Subventionierung eines Niedriglohnsektors soll eine gesellschaftliche Akzeptanz von Dumpinglöhnen schaffen.“ Durch „Lohndrückerei“ werde aber kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen, sondern nur eine Abwärtsspirale eingeleitet. Zudem höhle die individuelle Förderung der Beschäftigten durch das Arbeitsamt die Tarifautonomie aus. Voß: „Das ist ein vollkommen falscher Weg.“ RICHARD ROTHER
Infos zum Mainzer Modell beim Seminarzentrum Göttingen: (0 30) 2 59 44 04
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