piwik no script img

normalzeitHELMUT HÖGE über Haus und Heim

„Immobilienvertriebsbetrug“

Frei nach Bertolt Brecht heißt es jetzt: „Man kann einen Menschen mit einer Eigentumswohnung erschlagen wie mit einer Axt.“ Hunderttausenden wurde nach der Wende mit der einen und einzigen Widervereinigungs-Idee „Abschreibungsmöglichkeit Ost“ – auch Sonder-Afa genannt – Wohnraum verkauft, zur Rentenaufbesserung, Steuerersparnis und Vermögensbildung. Derzeit gibt es über 300.000 Besitzer von Eigentumswohnungen, die damit Probleme haben, weil sie keine Mieter dafür finden, aber monatlich Kreditraten – zwischen 500 und 1.000 Euro – zahlen müssen. Zudem sind viele inzwischen arbeitslos geworden – und haben die Ratenzahlungen einstellen müssen, sodass die Banken – in über 100.000 Fällen ist es die bayrische HypoVereinsbank – bereits zu Kontenpfändungen übergegangen sind. Die Gepfändeten klagen dagegen auf Betrug.

In den meisten Fällen wurden sie nach Art von Haustürgeschäften zum Kauf der Wohnungen gedrückt, und die Mietgarantiefirmen, die ihnen auch bei Leerstand Einnahmen sichern sollten, gingen alle nach kurzer Zeit pleite. „Zudem waren die Zusicherungen allesamt falsch: Stets betrugen die monatlichen Aufwendungen für die Darlehenskosten ein Mehrfaches der zugesicherten Beträge. Und niemals konnten die Kapitalanlageobjekte mit Gewinn wieder veräußert werden … Die zwischengeschalteten vorgeblichen Treuhänder waren keine, sondern verfolgten in Wahrheit als bezahlte Finanzierungsvermittler der Bank und als Initiatoren des Gesamtkonzepts eigene und die Interessen der Bank.“ Wir haben es also hier letztlich mit einer ähnlichen Konzeption wie bei der Treuhandanstalt zu tun, die seinerzeit die DDR abwickelte.

Die Immobilien-„Treuhänder“ haben es nun auf die letzten Restvermögen der einzelnen DDR-Bürger abgesehen. Die westdeutschen Banken argumentieren, dass sie keine Aufklärungspflicht hätten, also ihre Kreditnehmer nicht über die Risiken und überhöhten Provisionen der zwischengeschalteten Vermittler informieren müssen. In der Öffentlichkeit verhält man sich ebenfalls zurückhaltend gegenüber diesem massenhaften Betrug: Die Betroffenen hatten eben ein zu großes Sicherheitsbedürfnis, sie haben sich verspekuliert bzw. übers Ohr hauen lassen. In der BRD war das schon seit Jahrzehnten so – beim so genannten Bauherrenmodell, mit dem nicht selten auf Steuerersparnis erpichte Ärzte und Rechtsanwälte reingelegt wurden – und viel Geld verloren.

Nun haben wir es jedoch mit einer ganz anderen Größenordnung zu tun, zudem vom Staat – von Kanzler Kohl und seiner Mannschaft – ausgeklügelt, und dazu betrifft es häufig nicht mehr die Gutverdiener, sondern prekär Beschäftigte. Über verschiedene Anwaltskanzleien versuchen sie Sammelklagen durchzusetzen, dazu fanden und finden in verschiedenen Städten Aufklärungsveranstaltungen statt, die Medien werden mit genauen Einzelfalldarstellungen versorgt und versuchsweise alle möglichen Parteien, Minister und Dienststellen eingespannt. Zwar gibt es bis jetzt noch keine wirklichen Erfolge, aber die Aktivitäten haben immerhin bewirkt, dass nicht noch mehr Geschädigte wie in den letzten Jahren Selbstmord begehen, weil sie keinen Ausweg aus der Schuldenfalle sehen. Und angeblich haben die bayrischen Banker wenigstens in den „krassesten Fällen“ schon nachgegeben, wie der Göttinger Anwalt Fuellmich, der 1.500 Betrogene vertritt, und der Nürnberger Anwalt Kratzer, der 3.000 diesbezügliche Mandanten hat, meinen.

Für die HypoVereinsbank geht es dabei um rund 13 Milliarden Euro, die Anwälte sprechen von „organisiertem Massenbetrug: Die Leute haben ihr Geld in eine Kapitalanlage gesteckt, die von vornherein nie funktionieren konnte. Und die Bank wusste das – das ist reiner Betrug.“ Um den aber nachzuweisen, müssen die Anwälte durch alle Instanzen – bis zum Bundesgerichtshof – gehen, und das kann bis zu fünf Jahre dauern. Aktuelle Informationen finden sich unter www.immobilienvertriebsbetrug.de.

Die dort annoncierende Bürgerinitiative nennt sich „immobetrug“, in Berlin hat sie sich der „Initiative Bankenskandal“ sowie der „Attac“-Bewegung angeschlossen. Am morgigen Samstag findet um 14 Uhr eine gemeinsame Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude statt. Über ihre Forderung „Stopp dem legalen, organisierten Massenbetrug mit Steuerspar- und Rentenvorsorgeimmobilien in unserem Land!“ diskutieren dort Politiker aller Parteien, Rechtsexperten, Geschädigtenanwälte sowie Vertreter des Aachener und des Frankfurter „Bündnisses gegen Bankenmacht“.

Kommt massenhaft! Auch wenn ihr keine Eigentumswohnungen besitzt – erst recht keine leer stehenden und noch unbezahlten!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen