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Georgien zittert vor dem Nachbarn

Die Bevölkerung ist über die Zurückhaltung der USA besorgt. Georgiens Parlament fordert Nato-Eintrittsverhandlungen

TIFLIS taz ■ „Russische Provokationen in unserem Grenzbereich können jederzeit beginnen“, meint Georgiens Grenzschutzminister Waleri Tschcheidse, „wir sind darauf vorbereit.“ Einen Vorstoß russischer Truppen in die Pankisi-Schlucht, wo Moskau nach wie vor tschetschenische Rebellen und internationale Terroristen vermutet, oder noch weiter ins Landesinnere hält der ranghöchste Grenzschützer für „ziemlich unwahrscheinlich“.

Den Drohungen werden die Russen aber Taten folgen lassen, sagt Tschcheidse zur taz. Zu einem größeren militärischen Konflikt werde es aber nicht kommen. Davon ist der Gebieter über 300 Soldaten an der georgisch-tschetschenischen Grenze überzeugt. Er glaubt die Psychologie der russischen Militärs zu kennen, in deren Reihen er zu sowjetischen Zeiten selbst diente.

So gelassen wie Tschcheidse sieht die öffentliche Meinung in Georgien den Konflikt mit dem übermächtigen Nachbarn aber nicht. Für zusätzliche Unruhe sorgte nämlich die Zurückhaltung der USA. Erst am Freitagabend regte sich etwas in Washington. Zwei unendlich lange Tage, nachdem der Kreml unverhohlen gedroht hatte, in der Kaukasusrepublik selbst für Ordnung zu sorgen. Gleichzeitig erhielten Militärs den Befehl, einen Operationsplan zur Liquidierung vermeintlich terroristischer Stützpunkte in Georgien zu entwerfen. Drohungen an die Adresse eines souveränen Staates, der in der Lage sei, seine Probleme selbst zu lösen, lehnten die USA strikt ab, verlautete dann aus Washington. Ein Bekenntnis zwar, das aber nicht kräftig genug ausfiel, um Zweifler an amerikanischen Beistandsabsichten zu überzeugen.

Die Angst indes, Kreml und Weißes Haus könnten einen Kuhhandel abgeschlossen haben, der Russlands Stillhalten in der Irakfrage gegen ein Vorgriffsrecht Moskaus auf Georgien vorsieht, sitzt tief. In der Bevölkerung mehr als bei Politikern.

Mit Ausnahme der russlandfreundlicheren Opposition halten alle politischen Kräfte die Begründung des Kremls, er wolle tschetschenischen Terroristen das Handwerk legen, für vorgeschoben. Der Exverteidigungsminister und jetzige stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsausschusses im Parlament, Giorgi Karkaraschwili, fragt: Warum sind 3.000 russische Grenzschützer mit neuester Satellitentechnik nicht in der Lage, den 70 Kilometer langen Grenzabschnitt zu bewachen? Von den 300 miserabel ausgerüsteten georgischen Grenzern werde es indes verlangt. Karkaschwili weist noch auf ein Missverständnis hin: Im Ultimatum beziehe sich Moskau auf den Paragraphen 51 der UN-Charta, der das Recht auf Selbstverteidigung beinhaltet. Der Fall liege aber nicht vor, denn Russland werde von den eigenen vertriebenen Staatsbürgern angegriffen.

In einer Sondersitzung am Wochenende beauftragte das georgische Parlament die Regierung, unverzüglich Vorbereitungen für Aufnahmeverhandlungen in die Nato zu treffen. Vielleicht hat Russlands Präsident Putin seinem Land mit dem Ultimatum einen Bärendienst erwiesen. KLAUS-HELGE DONATH

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