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Neuer Mann von Haiders Gnaden

Sie stürzten Österreichs Regierung, an der sie beteiligt waren. Sie stürzten sich selbst ins Chaos. Jetzt redet der neue FPÖ-Vorsitzende die Zukunft schön

„Wir sind zwar momentan im Keller, aber wir stehen schon wieder im Lift“

aus Oberwart RALF LEONHARD

Der Feind lauerte schon vor der Tür. „FPÖ-Tauschbörse. Wir tauschen ein! Charakter und Überzeugung gegen Sonderverträge, Dienstwagen und Abfangjäger-Provisionen.“ Rudolf Fussi, Betreiber eines erfolgreichen Volksbegehrens gegen teure Abfangjäger und Möchtegern-Gründer einer rechtsliberalen Partei, ging am Samstag ausgerechnet vor dem Sonderparteitag der FPÖ auf die Jagd nach frei gewordenen Wählern. Der FPÖ-Abgeordnete Reinhard Gaugg, Protagonist eines Protektions- und Privilegienskandals, auf den das Flugblatt anspielt, gehörte zu den großen Abwesenden in der Messehalle von Oberwart im Südburgenland. Ebenfalls nicht da waren Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und Finanzminister Grasser, die durch ihren Rücktritt vor zwei Wochen die schwelende Krise in der FPÖ zur Explosion gebracht hatten. Erstmals seit 16 Jahren auf einem Parteitag der FPÖ nicht präsent war auch Jörg Haider, zumindest nicht in Fleisch und Blut. Sein Geist war jedoch zum Greifen real. Und sein Bild prangte wenigstens auf der Krawatte eines Delegierten.

„Gemeinsam stark“ hieß das Motto der Veranstaltung, deren Zweck es war, die Parteiführung neu zu besetzen und den in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Richtungsstreit feierlich unter den Teppich zu kehren. Das zweite Motto, „Wir wollen weiterregieren!“, war zwar nicht plakatiert, wurde aber von allen gegen die verheerenden Umfragewerte hochgehalten. Während die FPÖ 1999 mit fast 27 Prozent zur zweitstärksten Partei wurde, dümpelt sie jetzt nach Erhebungen der Meinungsforscher zwischen 10 und 14 Prozent, weit weg von einer neuen Mehrheit mit der ÖVP.

Tagelang war FPÖ-Obmann der am wenigsten begehrte Job des Landes. Haider selbst, erst am 11. September vom Parteipräsidium nominiert, zog seine Kandidatur drei Tage später wieder zurück. Angebliche Drohungen der Rüstungslobby hätten ihn eingeschüchtert, behauptet er. Mathias Reichhold, der Mann, den Haider dann auswählte, die FPÖ in eine sichere Wahlniederlage zu führen, musste zwei Tage mit seiner Familie beraten, ob er sich das antun wolle. In seiner Rede übte er sich im Drahtseilakt zwischen Haider-Treue und Bekenntnis zum Regierungskurs, zwischen Versöhnlichkeit und Strenge gegenüber den Rebellen der Delegiertenversammlung von Knittelfeld am 7. September, die der Exparteichefin Riess-Passer einen Knebelvertrag für ihre Regierungsarbeit aufzwingen wollten und schließlich ihren Rücktritt provozierten. Die offensichtliche Unvereinbarkeit von Regierungsarbeit und Oppositionskurs, die die Partei zerrissen hatte, versuchte er als Kommunikationsproblem schönzureden. Die auf dem Parteitag demonstrierte Einigkeit soll die FPÖ schnell wieder zu einem ernsthaften Partner machen: „Wir sind zwar momentan im Keller, aber wir stehen schon wieder im Lift.“

Die 92,2 Prozent Zustimmung der Parteitagsdelegierten musste Reichhold teuer erkaufen. Denn als Stellvertreter wurden ihm zwei bedingungslose Haider-Vertraute zur Seite gestellt: die steirische Landtagsabgeordnete Magda Bleckmann und Sozial- und Frauenminister Herbert Haupt, der sogar mit über 96 Prozent gewählt wurde. Auch der Papierindustrielle und zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn ist ein – wenn manchmal auch Haider-kritischer – Hardliner. Nur der vierte Vizeobmann, der oberösterreichische Arbeitnehmervertreter Maximilian Walch gilt als Liberaler. Der frenetische Applaus immer dann, wenn ein Redner die Verdienste Jörg Haiders pries, ließen keinen Zweifel aufkommen, für wen die Herzen der Delegierten schlugen. Auch der begeisterte Empfang der Hauptverschwörer Ewald Stadler und Hans Achatz war wohl ein Indiz, dass die innerparteiliche Versöhnung bisher nur Wunschdenken bleibt. Die schnell zusammengekleisterte Einheit hat ihren Preis: Zu den Kernfragen des parteiinternen Streits – Steuerreform jetzt oder später, Abfangjäger ja oder nein, Veto gegen Osterweiterung oder nicht – war nur Nebulöses zu hören.

Die 33-jährige Pharmazeutin und Wiener Landtagsabgeordnete Heidrun Schmalenberg zeigte sich trotzdem zufrieden: Ihre Partei werde jetzt bis zu den Wahlen wieder kräftig zulegen. Ein Salzburger Parteifreund widerspricht: Der „Verräterhatz“ gegen die Regierungsmitglieder seien Parteiaustritte und die Auflösung ganzer Bezirksgruppen gefolgt. Der Schaden sei so schnell nicht wiedergutzumachen.

Die neue Crew hat wenig Zeit, die entlaufenen Wähler wieder einzufangen und verprellte Sympathisanten zu überzeugen. Am 6. Oktober stehen bereits Gemeinderatswahlen im Burgenland an. Ein erster Test, ob es der neuen Parteiführung gelingt, den Fall ins Bodenlose zu bremsen. Am 24. November wird dann der Nationalrat gewählt.

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