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Großmarkt-Händler müssen draufzahlenFür den schlechteren Standort 9 Euro 22 zahlen?

„Alle sind sauer“

Am 3. November soll der neue Großmarkt eröffnet werden. In der Woche zuvor sollen die Händler aus ihren Hallen am Flughafen in den Überseehafen umziehen. Freude kommt unter den Händler bei diesem Datum nicht auf. „Alle sind sauer“, sagt der Ladeninhaber Thinius aus Hastedt. Er fährt noch jeden Morgen zum Großmarkt wie früher, die großen Handelsketten haben längst ihre eigenen Versorgungsstrukturen.

Friedrich Ehlers ist einer von denen, die auf dem Großmarkt ihre Waren anbieten: 20.000 Tonnen Kartoffeln setzt er im Jahr um. Als 23-Jähriger hatte er 1948 angefangen, auch heute noch kommt er mit seiner Frau jeden Morgen um drei Uhr aus Scholen angefahren. „Der Großmarkt wird ja nicht mehr gebraucht, nur noch für die kleinen Händler“, sagt er. Und das Geschäft mit den kleinen ist unsicher: „Heute haben Sie einen Kunden – nächste Woche ist er weg“. Als die Hallen vor 30 Jahren gebaut wurden, waren die Großen noch da: Edeka, Tengelmann und wie sie damals hießen. Heute liefern die direkt an ihre Filialen. Wenn Ehlers umzieht in die neuen Hallen, halbiert er seine Fläche. Vorsichtshalber. Auch er ist eher skeptisch über den neuen Standort. „99 Prozent der Händler waren dagegen, die Politik hat anders entschieden“, sagt er. „Wir wollten nicht durch die Stadt fahren, der alte Standort ist verkehrsgünstiger. 9,22 Euro Miete für einen Quadratmeter Halle zahlen die Händler am neuen Standort. Und da es keinen Cash&Carry-Markt in der Nähe gibt, hat die Metro vor allem einen Vorteil davon: Wer nicht größere Mengen braucht, könnte auf die Idee kommen, sich die Fahrt durch die Stadt zu sparen und bei der Metro auch Obst und Gemüse zu kaufen. Zeit ist nicht nur Geld. Je nach Fahrzeit müssen die kleinen Ladeninhaber morgens um vier oder fünf Uhr los, um ihre Ware einzukaufen – eine halbe Stunde Fahrzeit mehr kostet jede Nacht eine halbe Stunde Schlaf. Könnte der neue Standort mehr Kunden anziehen? „Mehr Kunden? Die gibt es nicht“, sagt Ehlers.

Der Tunesier Moncef Sakhri hat vor zehn Jahren den Fruchthandel Dörries übernommen. Als der neue Mietvertrag konkret wurde, hat er auch erst einmal seine Fläche erheblich verkleinert. „Wenn die Preise sich nicht ändern, wird es eine Alternative geben“, sagt er. Aber welche? In den alten Hallen im Hafengebiet kostet der Quadratmeter nicht 9,22 Euro, sondern 2,50 Euro. Wenn zwei oder drei Händler praktisch nebenan ihr Geschäft aufmachen würden, „wäre das eine böse Überraschung für den Großmarkt“, sagt er. Ein Gedankenspiel.

Die Obsthalle ist etwas größer in ihren Dimensionen als die alte am Flughafen, sagt der Geschäftsführer der Großmarkt-GmbH, Uwe Kluge. Noch sind aber nicht alle Flächen vermietet, die Verhandlungen laufen. Für die Klagen der Händler hat er überhaupt kein Verständnis: Erstens sind die Preise seit 1996 bekannt, sagt er, und zweitens zahlen die Händler auf anderen Großmärkten inzwischen oft noch mehr. K.W.

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