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Der Blechritzer

„In gemischter Gesellschaft“: Bildende Kunst von Günter Grass wird in der Stadtwaage ausgestellt

Kein ‚Butt‘, keine ‚Rättin‘, wohl aber Heuschrecken- und Schlangenartiges

Der derzeit bedeutendste deutsche Schriftsteller zählt zu den sogenannten „Doppelbegabungen“: Wie Goethe oder Dürrenmatt hat auch Günter Grass Zeit seines Lebens nebenbei als bildender Künstler gearbeitet. Er hat seine Laufbahn sogar Anfang der Fünfziger Jahre mit einer Steinmetzlehre und einem Kunststudium begonnen, bis ihm 1959 „Die Blechtrommel“ passiert ist, die ihn über Nacht weltberühmt gemacht hat. Die bildende Kunst hat er jedoch nie aufgegeben und ein umfangreiches Werk an Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und Malerei produziert. Am Sonntag, dem 29. September, um 11.00 Uhr eröffnet in der Stadtwaage eine Ausstellung seiner Werke.

Auch in der bildnerischen Arbeit bedient Grass sich der Tierwelt, um bestimmte Eindrücke zu erzeugen. Kein „Butt“, keine „Rättin“, wohl aber Heuschrecken- und Schlangenartiges windet sich auf großformatigen Zeichnungen und Grafiken umeinander, es gibt Mischwesen aus Vögeln, Menschen und Knochengerüsten. Die aktuellsten Arbeiten stammen aus dem Zyklus „Mein Jahrhundert“, in dem Grass zu jedem der hundert Jahre eine kurze Geschichte mit einem Aquarell kombiniert hat.

Leider sind nur die Bilder zu sehen: Die Ausstellung verzichtet komplett auf Texte. Da herrscht wohl ein wenig die Angst vor, die Texte könnten die Bilder marginalisieren wie der Erfolg des Schriftstellers den Künstler.

Dabei läge die Spannung vielleicht gerade in der Darstellung der Verbindung, denn innovativ sind die Arbeiten aus sich selbst heraus nicht: Man erkennt deutlich die Verwurzelung in der Kunst der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Interessanter wäre doch, Bild und Text nach Ähnlichkeiten bei Sujets oder Stilmitteln zu untersuchen und zu erforschen, ob sie zusammen nicht Bedeutungen produzieren können, die man ihnen einzeln nicht entnehmen kann.

Ursprünglich wurde die Ausstellung für die „Casa di Goethe“ in Rom konzipiert, der richtigen Adresse in Italien für die großen Namen der deutschen Kultur, wo sie in diesem Sommer gezeigt wurde.

Für große Namen interessiert man sich auch hierzulande:

Radio Bremen, das sich schon seit langen Jahren in seiner Berichterstattung intensiv mit Günter Grass beschäftigt, und die hochkarätig besetzte Günter Grass Stiftung Bremen holten die Ausstellung nach Bremen. Der Vorsitzende der Stiftung, der private Kunstmäzen Dieter Berghöfer, wird dann auch zur Eröffnung am Sonntag sprechen, neben ihm Bürgermeister Henning Scherf und die Leiterin der Casa di Goethe, Ursula Bongaerts.

Lene Wagner

Die Ausstellung ist bis zum 14. Dezember geöffnet, und zwar mittwochs bis sonntags von 12 Uhr bis 17 Uhr. Eröffnung ist am Sonntag, 29. September, um 11 Uhr. Zum 75. Geburtstages von Günter Grass 2002 bringt das nordwestradio am 16. Oktober einen Schwerpunkttag zu dem Schriftsteller

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