: Expertenstreit in Osterholz
Der Stadtteilbeirat informierte sich über die PCB-Belastung der Gesamtschule Ost und im SZ Walliser Straße. Das Gesundheitsamt und ein Professor sind sich uneins über Ausmaß der Gefährdung
In der Gesamtschule Ost (GSO) und im Schulzentrum Walliser Straße schrillten im August die Alarmglocken: Einige Räume seien mit giftigen Polychlorierten Biphenylen (PCB) verseucht, hatte sich bei Messungen herausgestellt. Am Donnerstagabend ließ sich nun der Osterholzer Stadtteilbeirat über das Ausmaß der Gefährdung informieren.
GSO-Leiter Franz Jentschke plädierte dafür, den Schulbetrieb unbedingt aufrecht zu erhalten. Die PCB-Messungen seien „am heißesten Tag im Jahr“ und an der „Schwachstelle“ der Schule erfolgt, nämlich in einem ungelüften Zimmer direkt unterm Dach. Deshalb dürften die Messergebnisse nicht dramatisiert werden, so Jentschke: „Wir haben das Krisenmanagement in der Hand, keiner muss das Gebäude fluchtartig verlassen.“
Der Schulleiter lobte die zügige Entscheidung des Bildungssenators, die Bauabschnitte I und II der GSO für den Unterricht zu sperren und sie umgehend sanieren zu lassen. Nach den Herbstferien sollen elf Container für den Unterricht bereitgestellt werden, ein Sanierungskonzept soll Ende Oktober vorliegen.
Das Gesundheitsamt weist in einem Informationsblatt darauf hin, dass „bei langjährigen Einwirkungen geringerer Dosen die Langzeitwirkungen der PCB zu beachten“ seien. Zwar sei die „Frage der chronischen Toxizität“ nicht abschließend geklärt“, derzeit werde PCB aber in Verbindung „mit vorgeburtlichen und frühkindlichen Entwicklungs- und Koordinationsstörungen“ gebracht. Auch bestehe ein Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen PCB und Krebs“.
Matthias Ross vom Gesundheitsamt berichtete, dass die „langfristig tolerable Raumluftkonzentration“ pro Tag mit 300 Nanogramm pro Kubikmeter festgelegt sei. Liege der Wert jedoch wie an der GSO über 3000 Nanogramm, müsse er binnen drei Monaten reduziert werden. Grund zur Hysterie gebe es nicht, so Ross: Niemand halte sich Tag und Nacht im Klassenzimmer auf, die Hälfte der PCB aus der Luft werde wieder ausgeatmet und außerdem sinke der Wert auch durch Reinigen und Lüften.
Professor Rainer Frenzel-Beyme vom Institut für Präventionsforschung fragte dagegen, warum seit Jahren hohe Summen für PCB-Sanierung ausgegeben würden, wenn der Stoff doch so harmlos sei. Manche Menschen seien empfänglicher für PCB-Schäden als andere, sagte er. Überdies seien nicht alle Langzeitfolgen von PCB gut erkennbar: So könne das Gehirn geschädigt werden, ohne dass sich PCB im Blut feststellen lasse. Längst gebe es Forderungen, die tolerable PCB-Tagesdosis auf 50 Nanogramm zu senken. Schulleiter Jentschke hörte solche Ausführungen gar nicht gern: „Wenn der Professor diesen Vortrag vor meinen Kollegen und Schülern gehalten hätte, wäre die Schule morgen leer.“
Markus Jox
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