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Immer noch: Das Date von damals

Abgeklärte Popstar-Gesten, dazu ein Hauch Wehmut: A-HA geben ein Wohlfühl-Konzert in der Stadthalle. Dabei beweisen Morten Harket und co., dass sie älter, aber nicht alt geworden sind

Allem Gerede zum Trotz: So viele Popstars der 1980er gibt es dann doch nicht, die ein wirkliches Comeback haben feiern dürfen. Eines, das sich nicht darin erschöpft, dass viele Menschen „Die Achtziger“, die vor kurzem noch als unsäglich galten, plötzlich toll finden – und darum auch die Musik hören, die dazu gehört. Retrophänomene. Wo man nie weiß, wer was wirklich mag und wer nur so tut.

Ein Beispiel sind die Pet Shop Boys. Ein anderes, möglicherweise, A-HA. Das Konzert am vergangenen Freitag in der Stadthalle bot Gelegenheit, nachzuschauen. „Lifelines“ steht auf dem Plakat, Lebenslinien, – soso –; das klingt prägnant. Vielleicht sogar ein bisschen weise. Und ähnlich catchy wie der Bandname. A-HA. Kluger Einfall das. Die drei Norweger, um die nämliche Anzahl an (gleichfalls norwegischen) Musikern erweitert, betreten die Bühne.

Das tun sie ziemlich unaufgeregt, fast beiläufig beginnt die gut zweistündige Retrospektive. Wenig Bombast für eine Popgruppe, die in der zweiten Hälfte der 80er ihre größten Erfolge feierte. Ein wenig rockiger kommt das alte Material daher: Die Herren Waaktaar und Furuholmen spielen Gitarren, was letztlich aber weniger überrascht als seinerzeit der erste Gitarrenakkord von Neil Tennant bei den Pet Shop Boys. Und was ist mit Morten Harket, dem Sänger? Sieht er immer noch so gut aus? Und, vor allem, trägt die Stimme immer noch die weitschweifende Melodieführung? Sie trägt.

Wie aus einem Guss tragen A-HA alte Hits und Songs von den beiden jüngeren Platten vor. Sie behaupten nicht, alles sei wie damals. Und auch nicht, dass nun plötzlich alles anders wäre. Das ist unaufdringlich und angenehm zu hören. Alles folgt einer klassischen Pop-Dramaturgie. Ein Stück rockt. Dann eine Ballade. Hin und wieder ein cleveres Arrangement.

„How can I speak of a world flashing by?“, heißt es einmal. Wir leben in schnellen Zeiten. Was hier alles beisammen hält, ist die Bühne. Eine angedeutete Stahlkonstruktion umschließt die Band. Auf einer Reihe von Monitoren im Bühnenhintergrund sind schöne Visuals zu sehen. Blaue Leuchtstoffröhren zeichnen den Bühnenraum nach. Das ist Theater. Ungewöhnlich kühl und zurückhaltend für Popstar-Konzerte. Wie in einer zeitgemäßen Inszenierung einer klassischen Oper, die gelingt, weil Gegenwart und Vergangenheit beide zu ihrem Recht kommen.

Zu ihrem Recht kommen auch die Zuschauer. Sie können ausgiebig mitsingen und mitklatschen, wenn sie wollen. Einige denken vielleicht zurück an ein früheres Date, wo sich spätnachts „Take on Me“ oder „Hunting High or Low“ auf dem Plattenteller drehte. Manche halten ihr Date von damals vielleicht noch immer im Arm. Und sehen, dass A-HA älter, aber nicht alt geworden sind. Ein Wohlfühl-Konzert.

Das Mitsingen verrät einiges über die Altersstruktur des Publikums – nur wer damals dabei war, kennt auch die alten Texte. Und die stylishen Technoklamotten am Merchandise-Stand wollen zu dieser Mischung aus leiser Wehmut und abgeklärten Popgesten nicht recht passen. Aber an denen kann man ja vorbei gehen auf dem Nachhauseweg. Ganz gelassen. Ein schönes Konzert. Nicht mehr und nicht weniger. Und manchmal war‘s doch ein wenig wie früher.

Tim Schomacker

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