piwik no script img

Zu viele Schulden nach der Entschuldung

Die Schuldenerlassinitiative für die ärmsten Länder benötigt mehr Geld. Geberländer sagen eine Millarde Dollar zu

WASHINGTON taz ■ Die Entschuldung der hoch verschuldeten armen Länder, der so genannten HIPC-Länder (Highly Indepted Poor Countries), geht langsam voran. Sehr langsam. Der Entwicklungsausschuss der Weltbank wies auf seiner Sitzung am Samstag mit Enttäuschung darauf hin, dass bislang erst sechs von 38 dafür in Frage kommenden Ländern in den Genuss eines Schuldenerlasses im Rahmen der 1999 beschlossenen HIPC-Initiative kamen: Bolivien, Burkina Faso, Mauretanien, Mosambik, Tansania und Uganda.

Immerhin einigten sich jetzt in Washington die Geberländer darauf, der Initiative dringend benötigte Mittel zur Verfügung zu stellen. Bereits 15 Staaten haben feste Zusagen gemacht, die Finanzierungslücke von einer Milliarde Dollar zu füllen; die Bundesregierung hat bis zu 100 Millionen versprochen. Weltbankpräsident James Wolfensohn erteilte jedoch Forderungen, die HIPC-Initiative darüber hinaus aufzustocken, eine Absage: „In einer Zeit, in der nicht einmal der gegenwärtige Rahmen ausreichend finanziert ist, wäre dies keine realistische Annahme.“

Zusätzliches Geld ist nötig, damit einige der betroffenen Länder ein „tragfähiges“ Schuldenniveau erreichen können. Tragfähigkeit ist willkürlich so definiert, dass die Schulden nicht mehr als 150 Prozent der jährlichen Exporteinnahmen eines Landes betragen sollen. Uganda beispielsweise hat aber selbst nach dem Schuldenerlass derzeit ein Schulden-Export-Verhältnis von 200 Prozent. Künftig soll ein jährlicher Bericht über die Schuldentragfähigkeit in jedem HIPC-Land erstellt werden, beschloss jetzt der Weltbank-Entwicklungsausschuss, damit notfalls rechtzeitig weitere Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden können. Die jetzt bewilligte eine Milliarde US-Dollar zusätzlich „sind nicht annähernd genug, um die krankende HIPC-Initiative zu heilen und die sich ausweitende Schuldenkrise zu überwinden“, kritisiert jedoch Jörn Kalinski von Oxfam. Vor allem die sinkenden Preise für Rohstoffe – für viele der Schuldnerländer die Haupteinnahmequelle – hätten dazu beigetragen, dass sich selbst nach einem Schuldenerlass das Verhältnis von Schulden zu Exporteinnahmen nicht wesentlich verbessert hätte. Kalinski nennt insbesondere das Beispiel Kaffee, dessen Preise inflationsbereinigt auf den niedrigsten Stand seit hundert Jahren gestürzt sind. Dieses Beispiel zeige im Übrigen, dass ein Schuldenerlass allein nicht ausreiche, um den betroffenen Ländern zu helfen. Dazu müssten bessere Chancen im Welthandel kommen und zusätzliche Entwicklungshilfe in strategischen Bereichen wie Erziehung.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul will erreichen, dass qualifizierte HIPC-Länder schneller als bisher in den Genuss des Schuldenerlasses kommen. Wenn Länder aufgrund der verschlechterten Weltkonjunkturlage die makroökonomischen Auflagen nicht erfüllen können, die die Voraussetzung für einen Schuldenerlass sind, dann soll von den Auflagen abgewichen werden können oder zusätzliche Hilfsmittel gewährt werden.

Nichtregierungsorganisationen fordern, die ganze HIPC-Initiative auf eine neue Berechnungsgrundlage zu stellen. So schlägt Weed dazu die von der UNO auf ihrem Millenniumsgipfel beschlossenen Entwicklungsziele vor – beispielsweise Volksschulausbildung für alle und die Halbierung der Zahl der Menschen, die Hunger leiden, bis 2015. Man müsse fragen, wie viel Geld ein Land braucht, um diese Ziele zu erreichen, und dann den noch leistbaren Schuldendienst danach berechnen. Andere Vorschläge, die dem US-Kongress vorliegen, lauten, dass kein Land mehr als zehn Prozent der Staatseinnahmen für die Abbezahlung der Schulden abzweigen soll und sogar nur fünf Prozent im Falle einer akuten Gesundheitskrise, wie sie das Aids-Problem in vielen HIPC-Ländern darstellt. NICOLA LIEBERT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen