: Äpfel als Treibstoff für Lastwagen
Sei einem Jahr betreibt der Einzelhandelskonzern Migros in Zürich Lkw mit Biogas – und zieht eine positive Bilanz. Acht Lastwagen des Unternehmens tanken mittlerweile dieses Biogas und beliefern anschließend die stadtnahen Filialen
Die Einzelhandels-Genossenschaft Migros in Zürich liebt die anschauliche Darstellung: „Verfolgen wir einen Apfel auf seinem Lebensweg“, heißt es in der Selbstdarstellung des Unternehmens. Sobald die Frucht „im Ladenregal keine knackige Figur mehr macht“, bringe man sie in die örtliche Vergärungsanlage, um Biogas daraus zu gewinnen. Acht Lastwagen des Unternehmens tanken dieses Biogas und beliefern anschließend die stadtnahen Filialen – natürlich auch mit frischen Äpfeln.
„Der Kreislauf ist unsere Besonderheit“, sagt Armin Eberle, Leiter Ökologie beim Migros-Genossenschafts-Bund in Zürich. Zwar verwerten auch andere Handelsketten längst ihre Bioabfälle energetisch. Zwar nutzen auch andere Firmen bereits in ihrer Flotte Gasfahrzeuge. Nur beides zusammen findet man in diesem Umfang sonst nirgends. Denn Migros Zürich betreibt diese Kreislaufwirtschaft längst in großem Stil: 2.500 Tonnen organischer Abfälle, die jährlich im Unternehmen anfallen, werden zu Biogas verarbeitet. „Wir erzeugen damit ein Äquivalent von 200.000 Litern Diesel jährlich“, rechnet Eberle vor – das ist mehr, als die gesamte gasbetriebene Lastwagenflotte des Unternehmens verbraucht.
Und nicht nur aussortierte Äpfel landen am Ende im Tank. Auch Fleisch, Gemüse, Früchte, Gartenabfälle, Blumen, Topfpflanzen, Tee- und Kaffeesatz sowie alle weiteren organisch abbaubaren Produkte finden bei der Zürcher Migros aus den Kaufhäusern und der Gastronomie den Weg in die Vergärungsanlage. Nur 350 Kilogramm Biomüll, rechnet das Unternehmen vor, seien erforderlich, um mit einem 26-Tonner 100 Kilometer weit zu fahren.
Seit April vergangenen Jahres läuft das Projekt bereits – die Bilanz nach gut einem Jahr ist positiv: „Die gesamten Betriebskosten eines Gaslasters sind etwa genauso hoch wie die Kosten eines konventionellen Fahrzeugs“, sagt Eberle. Denn den höheren Investitionen und Unterhaltskosten des Fahrzeugs stehe ein um etwa 30 Prozent billigerer Treibstoff gegenüber. Der attraktive Preis ergibt sich, weil in der Schweiz – wie auch in Deutschland – Biotreibstoffe aus ökologischen Gründen von der Mineralölsteuer befreit sind.
Dass bisher nur im Raum Zürich die Genossenschaft in ihren Filialen, Restaurants und Produktionsbetrieben die Bioabfälle zum Antrieb der Fahrzeugflotte verwertet, liegt an der günstigen Infrastruktur in Zürich: „Wir haben hier die Firma Kompogas vor Ort, die mehrere Vergärungsanlagen betreibt“, sagt der Umweltchef der Zürcher Migros. Andere Niederlassungen des Konzerns haben einen solchen Verwerter nicht vor der Haustür. Damit steht und fällt dann auch das ganze Konzept: Wenn der Bioabfall zu weit transportiert werden muss, bleibt vom Ökovorteil nicht mehr viel übrig.
Auch das Bundesamt für Energie in Bern würdigt das Projekt in Zürich: „Die Migros investiert bewusst in einen ökologisch sinnvollen und risikofreien Kreislauf und spielt in diesem Bereich eine Vorreiterrolle“, urteilt die Bundesbehörde. Und weiter rechnet sie vor: „Würden in der Schweiz alle organischen Abfälle – etwa eine Million Tonnen pro Jahr – vergoren und das Biogas als Treibstoff eingesetzt, könnten damit eine Milliarde Fahrzeugkilometer pro Jahr zurückgelegt werden.“ Das entspreche 100.000 Autos mit einer jährlichen Fahrleistung von jeweils 10.000 Kilometer. Nutze man verbrauchsgünstige Autos, könnten bis zu zehn Prozent aller Fahrzeuge mit dem sauberen Treibstoff Biogas betrieben werden.
Wichtigster Vorteil gegenüber dem Diesel sind die erheblich reduzierten Abgasmengen. Die „Humantoxizität der Emissionen“, also die Giftigkeit für den Menschen, sei „im Vergleich zu Diesel rund 70 Prozent kleiner“. Das Ozonbildungspotenzial verringere sich um 60 bis 80 Prozent. Und der Ausstoß von Kohlendioxid wird quasi gänzlich unterbunden, weil die Biomasse während der Wachstumsphase der Atmosphäre die gleiche Menge an Kohlendioxid bereits entzogen hat und somit der Kreislauf geschlossen ist. Das Bundesamt geht daher auch davon aus, dass Nachahmer der Migros folgen werden: „Die Vorteile von Biogas als Treibstoff sind erwiesen.“ BERNWARD JANZING
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