: ManU, Real, Auxerre – St. Pauli
FC St. Pauli nimmt neues Jugendleistungszentrum am Eidelstedter Brummerkamp in Betrieb. Präsident Reenald Koch sieht darin das „zweite Herzstück“ des Vereins. Auch ein Sozialpädagoge kümmert sich um den Nachwuchs
Was schon für Real Madrid und Manchester United gut genug war, kann für den FC St. Pauli kaum schlecht sein. Ein flauschiger Kunstrasenteppich der neuesten Generation ist das Herzstück des neuen Jugendleistungszentrums, welches gestern mit einem bunten Tag rund ums Runde offiziell seiner Bestimmung übergeben wurde. Fortan werden am Eidelstedter Brummerskamp von der C-Jugend aufwärts die Nachwuchsteams des Clubs trainieren, die unteren Jugendmannschaften sollen zumindest gelegentlich in den Genuss des weichen Synthetik-Grüns kommen, das laut Hersteller den „naturidentischen“ Kick garantiert, „slide tackling“, vulgo: zünftiges Grätschen, inklusive.
Bei kühlen Temperaturen fanden führende Vertreter des Kiez-Clubs warme Worte für die 1,35 Millionen Euro teure „Zukunft des Vereins“, wie Präsident Reenald Koch formulierte. Koch, einst „angetreten, um Strukturen zu verbessern“, sieht nach der neuen Trainingsanlage der Profis mit dem Nachwuchszentrum „das zweite Herzstück“ des Clubs schlagen. Endlich sei die „katastrophale Trainingssituation entschärft“, man habe „erheblich an Flexibilität“ gewonnen. „So stellt man sich Zusammenarbeit im Verein vor“, lobte Koch ausdrücklich die gute Kooperation mit Geschäftsführerin Tatjana Groeteke und Jugendkoordinator Andreas Bergmann.
Bergmann verspürt ob der Fertigstellung „einen Riesenmotivationsschub“ bei allen Beteiligten und sieht den „ganzheitlichen Ansatz“ seines Nachwuchskonzepts nicht zuletzt in der engen Zusammenarbeit mit der benachbarten Julius-Leber-Gesamtschule verwirklicht. Dort kamen mit Amateur Torsten Lenze und dem A-Jugendlichen Adil Boukantar bereits zwei St. Pauli-Spieler unter, die von Tennis Borussia aus Berlin nach Hamburg kamen. Die Schule wiederum kann die Sportanlage komplett für ihren Unterricht nutzen. Mit Claus Teister ist beim FC St. Pauli zudem seit zwei Monaten ein Pädagoge aktiv, der als Ansprechpartner bei Problemfällen in Schule, Elternhaus, Ausbildung zur Verfügung steht. „Manchmal ist es einfach gut, dass die Jungs noch mit jemand anders reden können, nicht immer nur mit dem Trainer“, erklärt Andreas Bergmann.
Wohin konsequente Nachwuchsarbeit führen kann, ist derzeit in der Champions League zu besichtigen. Der aktuelle Kader des französischen Erstligisten AJ Auxerre ist rund zur Hälfe mit Spielern bestückt, die aus dem eigenen Talentschuppen kommen. Eine derartige Quote hält Bergmann auf lange Sicht auch beim FC. St. Pauli für „schon machbar“, doch ahnt der Fußballlehrer, dass „wir auch künftig kaum verhindern können, dass einige unserer Top-Talente dann irgendwann abwandern.“
Eines Kommentars zu den unsicheren Stadionbauplänen und den Turbulenzen auf der St.Pauli-Führungsetage enthält sich Bergmann: „Ich hab genug mit meinem eigenen Bereich zu tun.“ Sollte allerdings ein neues Präsidium sein Nachwuchskonzept nicht nachhaltig unterstützen, würde der gefragte Ausbilder “persönliche Konsequenzen“ nicht ausschließen. Anfang November rückt aber erstmal eine Kommission des Weltfußballverbandes FIFA an, um dem Zentrum am Brummerskamp internationale Tauglichkeit zu bescheinigen.
Bis der Kader des FC St. Pauli soweit ist, muss halt erstmal der Kunstrasen reichen. JÖRG FEYER
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