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„UMTS ist kein Muss“

Mit der Krise im Mobilfunk-Sektor bröckeln die Bremer Hoffnungen auf die „UMTS-Modellstadt“. Statt einer Jobmaschine droht das Handy-Programm zur Pleite zu werden

Kai Stührenberg ist zuversichtlich: „Mitte nächsten Jahres haben wir in Bremen ein brauchbares UMTS-Netz“, sagt der Mann, der bei der landeseigenen Bremer Innovations Agentur GmbH (BIA) die „UMTS-Modellstadt“ an der Weser zu einem Zentrum der Mobilfunk-Branche entwickeln will. Rund 60 Firmen haben sich bereits im Verband „mobile cooperative work“ zusammengeschlossen. Das superschnelle Funknetz der neuen Generation, hoffen die Wirtschaftsförderer, soll mittelfristig Tausende von Arbeitsplätzen bringen.

Doch die einstige UMTS-Euphorie ist längst verflogen. Schon haben zwei der sechs Lizenznehmer, Quam und Mobilcom, angekündigt, vorerst nicht in den milliardenschweren Aufbau des Netzes zu investieren. Ob die anderen Unternehmen tatsächlich, wie mit der Bundesregierung vereinbart, mit ihren UMTS-Antennen bis Ende 2003 ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung abdecken werden, ist fraglich. In Japan ist UMTS bereits ein Mega-Flop. In welcher Stadt die umstrittenen Sender zuerst in Betrieb gehen, ist zudem allein Sache der Netzbetreiber. „Wie weit vorne Bremen da sein wird, kann ich auch nicht sagen“, gibt Stührenberg zu.

Genau das aber könnte für den Erfolg des mobilfunkenden „Entwicklungs- und Kompetenzstandorts“ Bremen entscheidend sein. Schneller als andere nämlich sollen Bremer Firmen nach dem Willen der Wirtschaftsförderer Software und Geräte für den neuen Standard entwickeln, um bei der Markteinführung der Funk-Technik die Nase vorn zu haben. Zumindest die Telekom AG, die mit Bremen eine Kooperation eingegangen ist, werde ihre Antennen an der Weser rechtzeitig in Betrieb nehmen, betont BIA-Mann Stührenberg. Vodaphone-Sprecher Dirk Ebrecht versichert, Bremen sei beim Aufbau des UMTS-Netzes seiner Firma „mit vornedran“. Der Testbetrieb werde im Frühjahr starten.

Die Bremer Unternehmen selbst, die Anwendungen für die neue Funktechnologie entwickeln sollen, stehen der neuen Technik deshalb auch skeptisch gegenüber. „Für Testzwecke ist es ja ganz schön, ein UMTS-Netz zu haben“, sagt Andreas Weber, Geschäftsführer der Bremer Mobile Communication Services e.K. Ob sich der Mobilfunkstandard aber am Markt durchsetzen werde, sei nicht ausgemacht. Weber: „Da sind noch sehr viele Fragen offen.“

Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen der Mobilfunk-Branche setzen daher längst wieder auf die bestehenden Handy-Standards GSM und GPRS. Fast alle Anwendungen – etwa die Bildübertragung und der mobile Zugriff auf Datenbanken – lassen sich nämlich auch mit der alten Technik realisieren. Einziger Nachteil: Die Übertragung der Daten dauert deutlich länger. „UMTS ist für uns kein Muss“, betont Weber. Und: „Ich wüsste niemanden, der seine Anwendungen nur auf UMTS-Basis entwickelt.“

Dem wollen die BIA und die Telekom AG mit einem kürzlich aufgelegten Förderprogramm nachhelfen. 1,2 Millionen Euro Fördermittel stehen bis 2004 für die Entwicklung von UMTS-Anwendungen bereit. BIA-Mann Stührenberg hat keine Sorge, dass genügend Förderanträge eintreffen, um daraus vier bis fünf Projekte auswählen zu können. Den von einem Großteil der Unternehmen eingeschlagenen Weg, sich bei der Entwicklung zunächst auf die alten Standards zu stützen, hält er dennoch nicht für falsch.

Denn sollte sich UMTS eines Tages tatsächlich durchsetzen, könnten die Anwendungen „dann einfach aufgerüstet werden“ – statt Fotos, wie mit GPRS, würden dann eben digitale Videos durch den Äther surren.

Armin Simon

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