: Der Frosch hat den Blues
Till Brönner und Kermit, der Frosch: Gemeinsam befreien sie den Jazz von seinem Elite-Image. Respekt vor den Alten hat der Star-Trompeter aber immer noch
Mit 30 wollen sie alle zurück ins Kinderzimmer. Im Pop-Geschäft machten die „Kinderzimmer Productions“ den Anfang, auf dem Papier schickte Florian Illies seine Nutella- und Playmobil-Abhandlung „Generation Golf“ hinterher, Brussigs „Sonnenallee“ strahlte auf der Leinwand – und jetzt ist der Jazz fällig. Jawohl, der Jazz, gerade der Jazz mit seinem Elite-Image, charmant entweiht durch das Infantile: Der Mann dafür ist Trompeten-Star Till Brönner, Jahrgang 1971. Sein neu entdeckter Spielplatz ist die Sesamstraße, genauer: das, was an Soundtrack davon übrig geblieben ist. Brönner im Duett mit Kermit: „It‘s not that easy being green.“ Der Frosch hat den Blues. Brönner live, Kermit als Handpuppe, die mit gesampelter Stimme mitsing.
Es ist der einzige Kinderzimmer-Ausflug Brönners am Donnerstagabend im Modernes, der andere Verweis auf früher gehört schon in die Pubertät, ist „ein Song, den man sein ganzes Leben schon scheiße fand – und auf einmal läuft dir doch ein Schauer dabei über den Rücken.“ Brönner schmalzt Billy Joels „Just the way you are“ durchs Flügelhorn, sehr warm und nett verkünstelt. Fahrstuhl-Pop, den Brönner genauso überbelichtet wie die Großstadt-Filmbilder, die auf der Leinwand über der Bühne für kalkuliert coole Lounge-Atmosphäre sorgen.
Geschmackvoll, denn Brönner produziert Wärme nicht nur anhand von Schnulzen. Eigentlich geht‘s ja um Soul und Hip Hop-Beats, dazu ein Bass, den man mehr fühlt als hört, ein dezent scratchender DJ, ein Keyboard, das gerne Soundflächen legt und eine funky Gitarre. Nichts aufregendes, das aber ausgetüftelt und perfekt umgesetzt. Chill-Out Musik von Jazz-Akademikern. Archaisches Flügelhorn neben aufwändiger Technik und Respekt vor den Alten: „Little Sunflowers“ von Freddie Hubbard ist zu hören, dazu eine Hommage an Oscar Peterson. Und viel eigenes von Brönners aktueller CD „Blue Eyed Soul“.
Das groovt, keine Frage, aber den letzten Weg zum Tanzbein findet Brönners Musik nicht. Obwohl er das gerne gehabt hätte: Immer wieder will Brönner die kontemplative Versunkenheit der Zuhörer aufbrechen. Mit Mitsummen, zum Beispiel. Brönner: „Ich weiß, wir sind im Jazz-Konzert. Wenn da so eine Aufforderung kommt, drehen sich alle Gesichter gleich nach links und schauen auf den Boden. Wir summen auch nicht lang.“ Immerhin: man summt. Zum Singen reicht‘s nicht. Denn gesungen haben die meisten Brönner-Hörer eigentlich nur in ihrer Kindheit.
Klaus Irler
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