: Beten statt Brausen
Mitfahrzentrale 2000 soll sonntags geschlossen bleiben. Umweltbehörde: Kein Verkehrsbetriebim Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Fast alle anderen Bundesländer erlauben die Öffnung
von GERNOT KNÖDLER
Es steht schlimm um den Standort Hamburg. Da hilft auch das Versprechen von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nicht, er werde Hamburg zur wirtschaftsfreundlichsten Stadt Deutschlands machen. Wie eine kleine Anfrage der GAL jetzt ans Licht brachte, hat die Umweltbehörde der Mitfahrzentrale „Mitfahr 2000“ am Hauptbahnhof verboten, sonntags zu öffnen. Die Mitfahrzentrale sein kein Verkehrsbetrieb im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, weil sie bloß Mitreisegelegenheiten vermittle und nicht „unmittelbar auf die Beförderung von Personen“ ausgerichtet sei, heißt es in der Antwort des Senats.
Die zuständige Umweltbehörde habe sein Büro am 30. Juni schließen lassen, bestätigt Klaus Bernzen, der Eigentümer der Mitfahrzentrale. Sein Mitarbeiter sei so perplex gewesen, als plötzlich die Polizei im Laden stand, dass er sich gar nicht gewehrt habe. Ausgerechnet am Tag des WM-Endspiels seien die Beamten gekommen, ärgert sich Bernzen: „Unsere Kunden mussten denken: Die kucken Fußball!“
Der Unternehmer hält es für unsinnig, dass er am Sonntag schließen soll. „Das ist, als wenn sie sechs Tage die Woche die Ampeln an haben und sie am siebten Tag an einer stark frequentierten Straße aus machen“, sagt er. Der Sonntag sei der häufigste Abreisetag. Besonders für Spontanbucher sei es wichtig, dass die Zentrale an diesem Tag geöffnet habe.
Dabei bietet Bernzens Mitfahrzentrale mehr als bloß die Vermittlung von Fahrten an: Fahrer und Mitfahrer müssen kurz vor der vereinbarten Abfahrt in der Zentrale erscheinen und sich ausweisen, um die Sicherheit beider zu garantieren. Erscheint ein Fahrer nicht, versucht die Zentrale eine Ersatzfahrt zu organisieren. Dazu kommen weitere Dienstleistungen: Fahrer können zum Beispiel Autobahn-Abfahrtspläne erhalten, die es ihnen erleichtern, ihre Mitreisenden mit einem Abstecher abzusetzen.
Warum denn Autovermietungen und Videotheken sonntags geöffnet haben dürfen und Mitfahrzentralen nicht, wollte die damalige Verkehrsexpertin der GAL, Krista Sager, wissen. Die Öffnung von Videotheken sei aufgrund einer Volksinitiative zugelassen worden; Autovermietungen seien „als Verkehrsbetriebe allgemein anerkannt“, antwortete die Behörde. Menschen hier sonntags zu beschäftigen, sei allerdings auch nur zulässig, wenn ihre Arbeit nicht auch werktags erledigt werden könne.
Nach Angaben Bernzens, der auch eine Mitfahrzentrale in Berlin betreibt, und seines Münchner Kollegen Michael Tertsch tolerieren die Behörden fast überall in Deutschland die Sonntagsöffnung von Mitfahrzentralen. Lediglich Köln bilde eine Ausnahme. Dort sei einer Mitfahrzentrale, die lediglich Fahrten vermittelt habe, vor rund 20 Jahren die Sonntagsöffnung verboten worden.
Die hamburgische Sonn- und Feiertagsverordnung stammt aus dem Jahr 1956. Im Abschnitt zu den Ausnahmegenehmigungen wird ganz vorn betont, dass sonntags arbeitenden Mitarbeitern der Kirchgang nicht verboten werden dürfe.
Wie es mit der Mitfahrzentrale 2000 sonntags weitergeht, ist offen. Die Umweltbehörde erkennt an, dass Mitfahrzentralen „einen Beitrag zur effizienten Nutzung und Auslastung der Verkehrssysteme und der Fahrzeuge“ leisten und einen entsprechenden ökologischen Wert hätten. Die Einstufung als Verkehrsbetrieb wird deshalb nicht grundsätzlich abgelehnt. „Die Behörde prüft derzeit in einem laufenden Verwaltungsverfahren den Sachverhalt und die Rechtslage“, heißt es in der Antwort des Senats. Immerhin: Bis das abgeschlossen sei, toleriere sie die Sonntagsöffnung.
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