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Die Computer sind schuld!

Wenn sich Verleger die Zeitungskrise erklären, müssen die Grundschulen dran glauben. Der Ausweg aber heißt: Mehr Pressekonzentration – und weg mit der Trennung von Verlag und Redaktion

aus München KONRAD LISCHKA

Dem Nachwuchs eröffneten die Münchner Medientage eine Perspektive. 40 Bildungsinstitutionen präsentierten sich auf dem so genannten Mediencampus. Schauten die potenziellen Medienmanager, Cutter und Journalisten dann mal von den bunten Broschüren auf, sahen sie durch die Lücke zwischen den Stellwänden – nichts. Die Hälfte der Ausstellungshalle war leer, bis auf einen Gabelstapler im Hintergrund.

So muss es auch sein, immerhin ist ja gerade Branchenkrise. Den Weg aus dieser erklärte Holtzbrinck-Geschäftsführer Michael Grabner im Auditorium nebenan so: „Wenn die Kosten niedriger als der Umsatz sind, machen wir Gewinn.“ Das Fachpublikum lachte amüsiert und interpretierte Grabners Gag erleichtert als Lösung. So konnte man über die langfristig wichtige Frage hinwegsehen: An was sparen, um nicht Qualität und Leser zu verlieren? Für den Zeitungsmarkt fielen den Verlegern und Geschäftsführern da neben dem Sparen vor allem zwei gar nicht so neue Lösungen ein. Zum einen könnten Journalisten bei ihrer Arbeit ja ein wenig mehr an Verlagsinteressen denken.

Kleiner Versprecher

Karlheinz Röthemeier, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Rhein-Main (Zeitungen in Mainz, Wiesbaden und Worms): „Die Trennung von Redaktion und Verlag haben wir vor Jahren abgeschafft. Das geht noch nicht so weit, dass der Anzeigenberater die Artikel im Lokalen schreibt.“

Das „noch“ war wohl ein Versprecher. Allerdings nannte Röthemeier die Grenze zwischen Redaktion und Verlag tatsächlich eine „Illusion, die in den Köpfen der Redakteure herumgeistert“. Richtig erschreckt war Röthemeier über deren „Unverständnis gegenüber wirtschaftlichen Gesetzen“. Konkreter beschrieb er nicht, wie weit dieses Verständnis in der Praxis gehen soll. Allein Springer-Chef Mathias Döpfner fiel da noch die journalistische Unabhängigkeit ein: „Auch wir wollen keine Gräben. Aber jeder Bereich sollte seine definierten Aufgaben haben, damit Journalisten nicht zur Übererfüllung vermeintlicher Aufgaben gegenüber Anzeigenkunden tendieren.“ Wie bitte war nun dies gemeint?

Die zweite Idee zur Krisenbewältigung wird von Verlagen längst praktiziert: Kooperation und Konzentration. In den Niederlanden zentralisieren beispielsweise Regionalzeitungen ihre Anzeigenakquise, um die großen Markenanzeigen zu gewinnen, die sonst überregionalen Titeln vorbehalten sind. Bei Stellenanzeigen, Druck und dergleichen wollen auch Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Rundschau zusammenarbeiten. Weit wagte sich Hermann Balle, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vor, als er Medienkonzentration zum Weg aus der Krise stilisierte. Von der Politik forderte er für die Verlage „stärkere Beteiligungsmöglichkeiten in elektronischen Medien“. Denn die sind eben bislang beschränkt – damit ein lokales Zeitungsmonopol nicht mittels Radio und Regional-TV zum Meinungsmonopol ausgebaut werden kann.

Was solche Beteiligungen allerdings für das wirtschaftliche Wohlergehen der Verlage bedeuten, bleibt fraglich. Immerhin fährt beispielsweise die FAZ ihre Radio-Aktivitäten wegen hoher Verluste gerade zurück. Von den Medientagen berichtete das FAZ-Businessradio München zwar noch aus einem weißen Verschlag. „Es gibt Repräsentativeres“, entschuldigte sich ein Redakteur, den man beim Betreten dieses an eine Frittenbude gemahnenden Gelasses erwischt hatte. Repräsentativeres braucht es eben nicht mehr – Anfang November macht das FAZ-Radio in München dicht, auch die anderen Standorte wackeln (siehe nebenstehende Meldung).

Die Kosten müssen einfach sinken. Was dabei mit den Inhalten der Zeitungen geschieht, besprachen die Verleger kaum. Dabei wäre es wichtig, immerhin sinkt die Gesamtauflage. Woran das liegt, beschrieb Focus-Chefredakteur Helmut Markwort mit verlässlicher Süffisanz: „Wir müssen eine Generation von funktionalen Analphabeten fürs Lesen begeistern.“ Markworts Strategie ist so bekannt wie erfolgreich: kürzere Texte – und Nutzwert. „Man kann ja Serien über die billigsten Tankstellen auch auf die lokale Ebene runterbrechen“, reichte Markwort das Focus-Geheimrezept an seine Tageszeitungskollegen weiter.

Doch so etwas interessiert BDZV-Chef Balle – im Hauptberuf Verleger des Straubinger Tagblatts – weniger. Er hat grundlegendere Probleme ausgemacht: „Es kann nicht sein, dass Kinder in der Grundschule den Umgang mit dem Computer lernen, aber ihre Schreib- und Leseschwächen vor sich herschieben.“

Sind jetzt also die Computer an der Krise schuld? Schön wär’s. Aber vielleicht können Jugendliche ja doch lesen – wollen es nur nicht bei Sätzen wie: „Schlag 12 Uhr gaben die Grafenhauner Jagdhornbläser das musikalische Auftaktzeichen zur Jubiläumsfuchsjagd mit Jagdsignalen.“ (Straubinger Tagblatt vom Donnerstag.)

Leere Zukunft

Nach den Verlagschefs diskutierten dann Online-Experten über die Chancen von Zeitungsverlagen, mit Lokalinformationen und Dienstleistungen für die neue Mobilfunkgeneration Geld zu verdienen. Interessiert hat das wenige. Auf den gut 1.000 Plätzen im größten Saal des Kongresszentrums saßen etwa 90 Zuhörer. Die Zukunft ist einfach nicht mehr, was sie mal war.

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