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Gutachten unter Beschuss

Verband der Unikliniken hält Vorschläge der Expertenkommission für „dilettantisch und weltfremd“. Koalition will Strukturveränderungen im Januar gesetzlich beschließen

Erst sah alles ganz friedlich aus. Ungewöhnlich friedlich. Doch jetzt – anderthalb Wochen nach der Präsentation – nimmt die Kritik am Expertengutachten zur Strukturreform der Hochschulmedizin zu. „Das medizinische Struktur- und Standortkonzept ist hinsichtlich von Forschung, Lehre und Krankenversorgung nicht ausreichend durchdacht. Die Kosten- und Einsparanalyse ist nicht solide und damit praktisch unbrauchbar.“ Mit diesen Worten zerreißt der Vorsitzende des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands, Rüdiger Strehl, in einem Beitrag für die gestrige Ausgabe der FAZ die Empfehlungen der Gutachter.

Diese hatten vorgeschlagen, dass die beiden medizinischen Fakultäten fusionieren und ein selbstständiges Zentrum Universitäre Medizin Berlin (Zumb) bilden sollen. Auch die beiden Unikliniken sollen verschmelzen, langfristig soll das Rudolf-Virchow-Klinikum in Wedding als Standort aufgegeben werden.

Strehl, der früher in der Berliner Verwaltung für die Hochschulmedizin zuständig war und heute kaufmännischer Vorstand des Uniklinikums Tübingen ist, hält davon wenig. Die Gutachter hätten sich zu sehr auf die Forschung konzentriert, Lehre und Krankenversorgung vernachlässigt. Welche Konsequenzen der Bettenabbau mit sich bringe, würde nicht berücksichtigt; der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen sei „weltfremd und illusorisch“ – ebenso die Kosten- und Finanzierungsbetrachtungen. Die Aufgabe des modernen Virchow-Klinikums überrasche, notwendige Investitionen in Steglitz und Mitte würden nicht berücksichtigt. Die Vorschläge zur neuen Leitungsorganisation hätten einen entscheidenden Mangel: Sie seien nicht in der Lage, Berlin aus seiner „Erstarrung“ zu befreien. Ein externes Wissenschaftsmanagement sei unerlässlich.

Die Koalition reagierte gestern gelassen auf die Kritik. „Die finanziellen Auswirkungen werden wirklich nicht ausreichend beleuchtet“, sagte der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD, Bert Flemming. In dieser Frage soll externer Rat hinzugezogen werden. „Sonst aber hat uns das Gutachten einen Riesenschritt weiter gebracht.“ Die Koalition will bereits im Januar mit einem Vorschaltgesetz die strukturellen Veränderungen auf den Weg bringen. Zentral dabei: die Einsetzung einer neuen Führungscrew, die künftig nach Ausschreibungen vom Aufsichtsrat bestimmt werden soll. Flemming: „Es könnte durchaus sinnvoll sein, einen Teil dieser Stellen von außen zu besetzen.“

SABINE AM ORDE

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