Rotes Licht von ABC

„Profiles from the Frontline“, Jerry Bruckheimers Serie über den Krieg in Afghanistan fehlt der Sendetermin

Es hätte der Knaller des US-amerikanischen Fernsehsommers werden sollen: „Profiles from the Frontline“, eine auf 13 Folgen angelegte Reality-Serie bei ABC über den Krieg in Afghanistan, mit tätiger Hilfe des Pentagon produziert – von niemand Geringerem als Jerry Bruckheimer.

Der Großmeister des patriotischen Kriegsspektakelkinos verantwortet Filme wie „Top Gun“, „Con Air“, „Pearl Harbour“ oder „Black Hawk Down“. Im Februar hatte der Fernsehsender ABC das Projekt öffentlich gemacht, im März schickte Bruckheimer mehrere Kamerateams nach Afghanistan, Ende April waren sie wieder zurück, denn die Serie sollte von Frühsommer an gesendet werden. Dazu kam es allerdings nicht. Im Sommer nicht, im Herbst nicht, und auch ein Termin für den Winter ist nicht in Sicht.

Nun war „Profiles from the Frontline“ von Anfang an höchst umstritten. Nicht nur bei Medienkritikern jeglicher Couleur, die im Format des „Militainment“ eine ganz neue und besonders gefährliche Propagandawaffe witterten, schließlich hatte sich das Pentagon das Recht vorbehalten, das gesamte Filmmaterial kontrollieren zu dürfen, um gegebenenfalls Bilder zurückzuhalten. Es waren vor allem die Journalisten, die sich gegen die Produktion dieser Serie wendeten. Denn Bruckheimers Kameraleute erhielten Drehgenehmigungen für Gegenden, zu denen Kriegsberichterstattern der Zugang verweigert wurde. Nun gehört aber ABC dem Disney-Konzern, und Bruckheimers Kamerateams waren der Entertainment-Abteilung zugeordnet. Da mochten die Proteste der Kollegen aus der News-Abteilung laut und deutlich sein, sie wurden rasch abgebügelt.

Umso erstaunlicher, dass „Profiles from the Frontline“ bis heute nicht gesendet worden ist, und je mehr Zeit ins Land geht, desto unwahrscheinlicher dürfte es werden, dass sich daran noch etwas ändert. Zwar scheint das Verteidigungsministerium mit dem Material der Bruckheimer-Crews zufrieden zu sein, und der Produzent selbst sagt in einem Interview mit der Hollywood-Gazette Entertainment News, er warte nur noch auf grünes Licht von ABC. Doch dort gibt man sich zugeknöpft: Eine Sprecherin lässt durchblicken, die Serie werde wohl nicht mehr gesendet, warum könne sie nicht sagen, sie habe mit dem Projekt nichts mehr zu tun.

Eine andere Sprecherin kündigt an, die Serie werde auf jeden Fall gesendet, wann könne sie aber nicht sagen. Dass es einmal einen Termin für den Sommer gegeben habe, streitet sie ab, von Klagen der Journalisten aus dem News-Departement weiß sie nichts, das Bruckheimer-Interview will sie nicht kommentieren.

Wahrscheinlich ist es ganz einfach: ABC dürfte um seine Quote fürchten. Und die, dafür ist Bruckheimer schließlich angeheuert worden, steht und fällt mit Heldengeschichten. Doch für Heldengeschichten braucht es eine große Erzählung, die bislang fehlt. Niemand weiß, wo Bin Laden steckt, und das Einzige, was man jetzt noch aus Afghanistan hört, ist, dass ab und zu eine Bombe explodiert und es den Frauen etwas besser geht. Vielleicht lässt sich der Krieg gegen einen unsichtbaren Feind eben auch mit den modernsten Propagandatechniken nicht so ohne weiteres visualisieren. Vielleicht führt man gegen einen unsichtbaren Feind am besten einen unsichtbaren Krieg.

Und wer weiß, das Gedächtnis ist kurz und Bösewichter gibt es überall: Am Ende laufen längst die Planungen für eine Irak-Eroberungs-Soap. TOBIAS RAPP