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Ausgekuschelt

Wer sich nicht rechtzeitig aus der Kontrollgesellschaft ausklinkt, geht unter: René Polleschs „Heidi Hoh 3“ beim Festival Politik im Freien Theater auf Kampnagel

In einem der letzten Pollesch-Stücke, zu sehen in Berlin, wird ein Zuschauer gebeten, zwei ausgepackte Twix-Riegel in die Höhe zu halten. Daraufhin kommt eine Schauspielerin angeflogen und beißt die Spitzen der Schokotürme ab. Antonio Gramsci erklärte in seinen Strategien gegen Kapitalismus, dass man das Flugzeug besteigen muss, wenn man es entern will.

Aber das reicht heute nicht mehr aus. Heute muss ein Pilotenschein her, der es ermöglicht, die Maschine auch in den Dreck zu setzten. Aber wenn sich jemand das Objekt der Kritik so sehr einverleibt hat, ist es schwer, da wieder herauszukommen. René Polleschs Serienheldin Heidi Hoh versucht sich permanent aus den Verhältnissen zu schreien. Sie ruft: „Ich weiß gar nicht mehr, wie ich für jemanden außerökonomisch empfinden soll“ und „die Verwertung deiner Subjektivität wird organisiert, verdammte Scheiße!“

Heidi Hoh 3, jetzt auf Kampnagel zu sehen, verweist in seinem Untertitel auf Bernhard Sinkels Film Lina Braake oder die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat. In dem Film verliert Lina Braake ihr Haus an die Bank und versucht sich dann am Geldinstitut zu rächen. Auch Heidi Hoh möchte die Firma verlassen, die sie einsaugt. In der von William Burroughs ausgeschriebenen Kontrollgesellschaft haben die Unternehmen keinen Körper mehr, sondern eine Seele. Und die Arbeiter fügen sich mit allem, was sie sind, in die Firma ein. In der Kontrollgesellschaft wird man nie mit etwas fertig, ständige Kreativität und Erreichbarkeit binden Heidi Hoh an die Firma, die ihr vorgaukelt, ihr ganzes Leben zu sein. So ist Heidi Hoh zur Seele des Unternehmens geworden, und zur Dienstleistung mutiert.

Teile des Bühnenbilds von Heidi Hoh 3– Cowboyschwingsessel und Sitzschwan – stammen noch aus Polleschs world wide web slums. Hinzu kommt eine Wand, auf der aus Schallplattencovern die Buchstaben LSD geformt sind. Während der knee-plays, die Heidi Hoh, Gong Scheinfluga und Bambi Sickafossee – Luft zum Atmen geben, erklingen Songs wie Big in Japan. Am Schluss kommt noch eine fiese Karaokeprojektion ins Spiel. Doch die Frauen sind zu sehr mit ihrer eigenen Befreiung beschäftigt, um sich in Waterloo einzufühlen. Die Wand, die kuschelige Erinnerungen wachrufen sollte, wird nur noch angeschrien. ARSEN DEDIC

Premiere: Donnerstag, 31. Oktober, 20.30 Uhr, Kampnagel, p1. Weitere Vorstellungen: 1. 11., 21 Uhr sowie 2.11., 20.30 Uhr

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