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lametta trägt der literat von WIGLAF DROSTE

Im Programmheft der Schweriner Literaturtage lese ich, was ein Kollege über sich in Druck gibt: „Er ist Träger des Internationalen Publizistik-Preises des Landes Kärnten, des Theodor-Wolff-Preises, des Egon-Erwin-Kisch-Preises und des Friedrich-Märker-Preises für Essayistik.“ Ich versuche mir einen Mann vorzustellen, der von Beruf Preisträger ist: Die Brust mit Medaillen, Plaketten und Orden behängt fast wie Stalin, vornübergebeugt, wie von der Gicht gekrümmt, beugt er sich von Empfang zu Empfang. Dennoch hält sich das Mitgefühl mit Christoph Dieckmann in Grenzen; der Zeit-Redakteur nimmt bevorzugt unschuldige Musik zum Anlass für seine moraltheologischen Traktate, und das tut ihr gar nicht gut, der armen Musik.

Auch in diesem Herbst kann sich wieder reichlich Lametta an den Mops gehängt werden. Der Preis ist heiß, und die Abgreifer sind unter uns. Es ist das, was Marcel Reich-Ranicki, selbst einer der schamlosesten Abfasser, als „Literarisches Leben“ feiert: Gewurschtel und eifriges Mitgemache. Es wird sich eingeordnet in die Hackordnung des Betriebs, der zugewiesene Platz wird eingenommen.

Weil Feridun Zaimoglu auf dem Ticket des augenrollenden Fuchteltürken unterwegs ist, sagt er beim Betreten einer Bühne auch: „Ich rocke das Haus“, tatsächlich und im Ernst: „Ich rocke das Haus.“ Der Wilder-Mann-Gestus entspringt einem vollopportunistischen Instinkt; reflexhaft und widerstandslos wird einer glücklich identisch mit der Trottelrolle, die der Betrieb ihm hinhält.

Bei Walter Jens passt die Faust ebenfalls aufs Auge: Dem runkeligen alten Mahnerundwarner wird in der Bonner Schlosskirche der Predigtpreis verliehen. Das haut hin – oder, wie unsere Halbalphabeten sagen: „Das macht Sinn.“ Um aus den Toleranz- und Zivilcourage-Töpfen mitzufuttern, braucht es nicht einmal die Simulation von Literatur – ein bisschen kritisch angepinselte Mainstreamgesinnung reicht hier völlig aus. Und so vieles kann man mitnehmen und einheimsen im Laufe eines Schnäppchenjägerlebens: Die Liste der Preise, die der SPD-Tingeltangler Günter Grass an sich rakte, hat Gerhard Henschel im „Jahrhundert der Obszönität“ zusammengestellt. Obwohl unvollständig, ist sie rund zwei Seiten lang.

So gesehen hat der Literaturbetrieb mit Dieter Bohlen bekommen, was er verdient. Die gusseiserne Geldvisage ist ein idealer deutscher Autor: kann nicht schreiben, macht viel Wind und freut sich kaputt, wenn ihm einer auf die Schulter klopft. Der Titel seines Werkes, „Nichts als die Wahrheit“, ist allerdings ein Plagiat: Cora Stephan hat unter dem Pseudonym Anne Chaplet schon vor ein paar Jahren einen Kriminalroman gleichen Titels geschrieben. Ob die sonst so kriegerische Frau Stephan nicht bitte Herrn Bohlen deshalb juristisch belangen und pekuniär quälen könnte? Das fände mein Gefallen – ist doch die Geldbörse die einzige Stelle an Dieter Bohlen, an der er etwas empfindet. Auch aus diesem Grund wäre Bohlen die Bestbesetzung für den Chefbrüllo eines noch zu exhumierenden „Literarischen Quartetts“.

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