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gaddafi und die schönen königinnen von KARIM EL-GAWHARY

Lockerbie is out – Schönheit ist in, sagte sich der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi und kam auf eine völlig neue Idee, um das angeschlagene Image seines Landes aufzupolieren. „Schönheit wird die Welt retten“, lautet der offizielle Slogan der ersten internationalen Miss-Wahlen, die ab heute in der lybischen Hauptstadt Tripolis stattfinden. Unter 21 Kandidatinnen soll die „Miss Net World“ gesucht werden. Noch mit im Rennen: Justyna, die „Miss Net Germany“, und Sanja, die „Miss Net Austria“.

Verfolgt werden können die Wahlen auf diversen internationalen TV-Programmen, aber auch via Internet. Gewählt wird durch einen Doppelklick im Netz. Die Organisatoren erwarten über eine Million Besucher auf ihrer Website www.missnetworld.tv. Die libysche Regierung hat denn auch keine Kosten für ihren neuen PR-Coup gescheut. Drei Sondermaschinen sammelten in der vergangenen Woche die Schönheitsköniginnen plus Entourage in Europa ein. Selbstverständlich will sich das islamische Land ein wenig von ähnlichen Veranstaltungen im Westen absetzen und der Show eine besondere libysche Note geben. Statt in Badeanzügen werden sich die Damen in Jeans und T-Shirt auf der Weltbühne präsentieren. Auf der Brust der schönen Königinnen prangt dann ein Bild des libyschen Staatschefs. Die T-Shirts sind nicht etwa von irgendeiner verstaubten lybischen Propagandafirma entworfen. Der italienische Modemacher Roberto Cavalli hat sich dieser prekären Aufgabe angenommen. Erhältlich sein soll das Designer-Shirt bald weltweit in allen Cavalli-Boutiquen.

Für den Organisator des Schönheitswettbewerbes, Omar Harfouch, stehen der libysche Revolutionsführer und italienische Mode nicht im Widerspruch. Im Gegenteil, sagt er, Gaddafi sei „in“ und als eine Art revolutionsromantisches Symbol durchaus fashionable. Deshalb werden die Bewerberinnen auch zu den Klängen des Songs „Beauty will save the World“ in libyschen Armeeuniformen über den Laufsteg flanieren. „Libyen“, so Veranstalter Harfouch, „will zeigen, dass es mit allen Ländern in Frieden leben möchte.“ Geplant ist auch ein Fototermin vor einem 1986 von den Amerikanern bombardierten Haus in Tripolis, wo die „Miss Net USA“ eine Taube aufsteigen lassen soll.

Vorbei sind die Zeiten, als Ronald Reagan Libyen noch als das „Land des Teufels“ brandmarkte. Tecca Zendic aus Los Angeles wurde die volle Unterstützung des US-State-Departments zugesichert, wie sie freimütig erzählt. So hat sie nicht nur eine Sondergenehmigung erhalten, die US-Bürger für Reisen nach Libyen bis heute benötigen. Die zuständige Beamtin im US-Außenminsterium habe ihr auch versichert, dass das ganze State Department ihr die Daumen drücke und sie am 2. November per Doppelklick wählen werde.

Bei der Miss-Wahl per Internet dürfte es sich übrigens, Gaddafi sei Dank, um ein absolutes demokratisches Novum in der arabischen Welt handeln. Anders als bei den Wahlen Saddam Husseins oder anderer Herrscher der Region dürfte die glückliche Siegerin kaum die hundertprozentige Zustimmung der Wähler erhalten.

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