: Warten auf den „Superstar“
Das „Pop-Idol“-Derivat soll das deutsche Fernsehen retten. Hofft zumindest RTL (Sa., 19.10 Uhr)
von STEFFEN GRIMBERG
Natürlich ist Simon Fuller ein Held. Mit 21 Madonna entdecken, dann Paul Hardcastle produzieren und später als Manager die Spice Girls aufbauen – wer dem Gehirn hinter der Pop- und Entertainmentfirma „19“ vorwirft, dem Kommerz endgültig zum Sieg über die Musik verholfen zu haben, trifft den Kern. Und weil es noch einfacher und einträglicher ist, Möchtegern-Stars mit Hilfe der allmächtigen Fernseh-Retorte zu planbar kurzem Ruhm zu katapultieren, gibt es Fullers aktuellste Großtat „Pop Idol“ ab sofort auch bei uns.
„Deutschland sucht den Superstar“ heißt das dann etwas lahm in der Samstag startenden RTL-Version. Senderchef Gerhard Zeiler klopfte sich schon im Sommer vor Freude auf die Schulter („Wir scheuen kein Risiko“), dass RTL wie bei „Wer wird Millionär?“ endlich mal wieder mal darauf gekommen ist, ein Erfolgsformat Made in Britain eins zu eins zu übernehmen. Jetzt soll es dem siechen TV-Markt Beine – und RTL reich machen.
Und so wurden zu München, Köln, Berlin und Hamburg in den vergangenen Wochen 10.000 Singwütige gecastet. 100 von ihnen treten dann zum televisionären Showdown an, und dem letzten Sänger gehört der Plattenvertrag. Erinnert irgendwie an „Pop Stars“, denn auch hier dürfen in den Endrunden die Zuschauer per Telefon-Voting mitspielen. Damit diese Kundenbindung auch dann schon perfekt funktioniert, wenn es das eigentliche Produkt noch gar nicht gibt, sponsert natürlich auch hierzulande ein Telefonkonzern die Suche nach dem „Superstar“.
Insgesamt geht es über fünf Stufen in 16 Einzelshows, „eine Grafik des Showkonzepts kann angefordert werden“, tröstet der Sender über etwaige Unübersichtlichkeit hinweg. An diesem und dem kommenden Wochenende stehen für die künftige Fangemeinde erst mal die Casting-Zusammenfassungen an.
Doch gemach: Über die ersten 100 hat schon eine Jury entschieden, die es in sich hat: Shona Fraser (27) repräsentiert das hippe England, ist aber eigentlich Radiofrau in Köln. Thomas Bug (32) macht ebenfalls anspruchsvolleres Musikradio und moderiert im WDR-Jungfunk Eins Live.
Dann sitzt da noch Thomas M. Stein (53) und ist wirklich wichtig. Schließlich ist Stein Deutschland-Chef der Bertelsmann Music Group, die den Plattenvertrag stiftet (und deren Mutterkonzern Bertelsmann praktischerweise auch die Mehrheit an RTL und der „Superstar“-Produktionsfirma Grundy hält).
„Pop Idol“, das britische Urvorbild dieses multimedialen Synergieeffekts, lockte bei der finalen Sendung im Februar satte 57 Prozent der Fernsehzuschauer an. Siegen tat natürlich nicht Gareth Gates, der leicht stotternde Favorit aus der Arbeiterklasse, sondern der zweitplatzierte, haargegelte Will Young.
Machte aber nichts: Beide bekamen Plattenverträge, beide hatten Nummer-1-Hits in den UK-Charts. Nur seinen millionenschweren Werbevertrag mit Pepsi ist Gates im nächsten März schon wieder los: Die Pop-Idole aus der Retorte sind eben schon beinahe beliebig an- und abschaltbar.
Was kümmert’s den wahren Superstar Simon Fuller da schon, dass ihm Boy George ein „Künstler müssen aus der Gosse kommen, nur dann sind sie echt!“ hinterherruft: Die US-Version brachte dem „Pop-Idol“-Erfinder nicht nur rund 1,5 Millionen Euro pro Folge plus Beteiligung an den natürlich gebührenpflichtigen Telefonabstimmungen ein. Weil sie für eine der höchsten Quoten im amerikanischen TV-Markt sorgte, bekam Fuller auch noch eine Einladung ins Weiße Haus.
RTL hofft nun auf ähnliche Traumwerte. Doch Gerhard Zeilers Besuch beim Bundespräsidenten ist alles andere als sicher. In Großbritannien sorgte vor allem die kongenial besetzte Jury mit beißender Selbstironie und der Hang der Vorsänger zu milder Exzentrik für die alles entscheidende Grundakzeptanz beim Zuschauer. In Deutschland heißt das vierte Jury-Mitglied Dieter Bohlen.
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