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„Elektromesser? Der Tod jeden Döners“

Hat der typische Konsument Salat im Mundwinkel, saut er herum und riecht aus dem Mund? Saim Aygün, türkischer Restaurantinhaber, widerlegt taz-Vorurteile über den Döner. Zu Recht, sein Bruder hat ihn schließlich erfunden

taz: Herr Aygün, auf Ihrer Karte stehen Köstlichkeiten wie gefüllte Artischockenböden. Tut mir Leid, dass wir über Döner Kebab sprechen müssen.

Saim Aygün: Das bin ich gewohnt. Wir sind stolz auf den wirtschaftlichen Erfolg. Und der Döner ist unser Zugpferd, da mache ich mir keine Illusionen.

Hier in Kreuzberg gibt es mehr Dönerbuden als Kanaldeckel. Beklagen Sie manchmal die „Verdönerisierung“ der türkischen Küche?

Nichts gegen Verdönerisierung. Aber das Geschäft sollten nur die betreiben, die Ahnung davon haben. Tatsächlich nehmen manche Deutsche ein türkisches Restaurant erst ernst, wenn sich im Schaufenster der Spieß dreht.

Zurück zum Grundsätzlichen. Knoblauch-, Kräuter- oder scharfe Soße?

Nur scharf, denn ich führe viele geschäftliche Gespräche. Knoblauch nehme ich, wenn ich nichts mehr vorhabe.

Brottasche oder selbst gebackener Fladen?

Letzteres, den so genannten Dürüm Döner. Ich bin viel im Auto unterwegs. Einen gewickelten Döner kann man mit einer Hand noch kontrollieren – die klassische Tasche nicht. Die esse ich, wenn ich im Büro bin. Was für die Deutschen ihre Stulle ist, ist für uns das Fladenbrot.

Mit Zwiebeln oder ohne?

Mit natürlich. Der Geruch ist nicht so durchdringend, er verteilt sich besser. Zwiebeln sind unser wichtigstes Gemüse und dienen oft als Basis. Grundlage jedes Gemüsetopfes ist zum Beispiel eine Mischung aus Margarine, Tomatenmark und Zwiebeln.

Eigentlich seltsam, der Siegeszug des Döners. Nicht nur, dass er Mundgeruch bewirkt, auch beim Essen sieht man immer schlecht aus.

Dann müssen Sie vielleicht mehr üben, eigentlich kriegt das doch jeder hin. Manchmal ärgere ich mich aber auch noch. Völlig unprofessionell ist es zum Beispiel, die Brottasche in der Hektik zu tief aufzuschneiden, sodass unten Soße heraustropft.

Was wiegen diese Spieße denn, wenn sie ganz neu sind?

Um unsere Spieße in den Grill zu heben, brauchen wir mindestens zwei Leute. Manchmal wiegen die so viel wie ein ausgewachsener junger Mann, mal mehr, mal weniger. Das Fleisch kommt selbstverständlich jeden Tag frisch. Zum größten Teil sind es Kalbfleischscheiben – gemischt mit Hackfleisch.

Ein solches Monstrum will kontrolliert werden.

Ein Mann hat ihn aus dem Augenwinkel ständig im Blick. Er kontrolliert den Abstand zur Glut und dreht den Spieß – je nach Kundenandrang. Übrigens ausschließlich von Hand, ich halte nichts von Elektromotoren.

Elektromesser sind wahrscheinlich auch tabu?

Der Tod jeden Döners. Solche Maschinen kommen mir nicht ins Restaurant. Wir schneiden mit dem traditionellen Messer, das alle zwei Minuten geschärft werden muss. Und meiden Sie Imbisse, die „auf Vorrat“ Fleisch auf einen Haufen schneiden!

In Neukölln liefern sich Imbissbesitzer im Moment eine Preisschlacht.

Das ist ein Witz. Einen guten Döner kann man nicht für einen Euro anbieten. Ein realistischer Preis muss zwischen zwei und drei Euro liegen.

Verraten Sie zum Schluss das wahre Dönergeheimnis?

Gute Küche ist ein Mannschaftsspiel. Ich kann noch so gute Qualität bieten – wenn der Verkäufer unfreundlich ist, bringt das nichts. Der Döner ist der Mercedes unter den Fast-Food-Snacks, gesund und lecker. Aber was taugt ein Mercedes, dessen Reifen abgefahren sind?

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

Saim Aygün, 40, betreibt mit seinen fünf Brüdern sechs türkische „Hasir-Restaurants“. Der Älteste, Mehmet Aygün, soll 1971 erstmals vom Spieß geschnittenes Fleisch in Brottaschen gefüllt haben.

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