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DDR-BÜRGER STARBEN FRÜHER – KEIN THEMA FÜR ODER GEGEN DIE PDSDer krasse Unterschied

Das gefällt allen, selbst wenn sie sich mit Rentenpolitik befassen: Die Durchschnittsdeutschen sterben immer älter. Die Ursachen dafür liegen nicht einfach in besserer medizinischer Versorgung, gesünderer Ernährung und abnehmenden Unfallzahlen. Der Hauptgrund ist struktureller Natur: Die ostdeutsche Lebenserwartung schließt zum westdeutschen Niveau auf.

Was harmlos klingt, hat historische Dimension: In der DDR lebten die Menschen kürzer als in der alten BRD. Im Durchschnitt starben die Ost-Männer dort kurz vor dem Mauerfall zwei Jahre und fünf Monate eher als im Westen, bei den Frauen waren es sogar zwei Jahre und neun Monate. Ein Jahrzehnt nach dem Mauerfall, hat das Statistische Bundesamt herausgefunden, ist der Abstand zwischen Ost und West bei den Männern auf vier, bei Frauen auf sechs Monate geschrumpft.

Der krasse Unterschied bei der Lebenserwartung war Gesundheitspolitikern und Demografen schon vor der deutsch-deutschen Einheit bekannt. Merkwürdig nur, dass sich nie eine öffentliche Debatte darum entwickelte, dass die politische Verantwortung für den früheren Tod in der DDR bei ihrem Herrschaftssystem und deren Chefs lag. Zum Thema wurden die fehlenden Jahre nicht einmal, als die PDS in den frühen Wahlkämpfen ihre ersten großen Siege errang und sich die DDR-Nostalgie zu verbreiten begann. Gegenüber den ebenfalls existenziellen, aber spektakulären Schüssen an der Mauer oder dem Lungenkrebs der Uran-Arbeiter in Thüringen trat das statistische, abstrakte Argument eines kürzeren Lebens für alle in den Hintergrund. Wer die DDR wenigstens für ihre soziale Sicherheit preist, muss sich fragen lassen, ob er die Kosten dafür richtig kalkuliert hat.

Für die politische Debatte taugt ein Zehnjahresvergleich der Lebenserwartungen in Ost und West inzwischen nicht mehr; hier verläuft die Angleichung der Lebens-, genauer: Sterbensverhältnisse untadelig. Die Arbeit bleibt den Historikern: nicht nur die Ursachen für das frühe Ende der DDR zu beschreiben, sondern auch für den frühen Tod ihrer Bewohner. DIETMAR BARTZ

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