: Wer warnte den ICE-Lokführer?
Castor-GegnerInnen legen Beweise für Teilnahme eines Bundesgrenzschutzspitzels an der ICE-Blockade in Lüneburg vor
HAMBURG taz ■ „Kein Zweifel: An der Castor-Blockade-Aktion vor Lüneburg, bei der ein ICE aufgehalten wurde, hat ein Spitzel teilgenommen.“ Das meint zumindest das „Aktionsbündnis Heidewerkstatt“ und legt Rechercheergebnisse vor, die in der Tat den Verdacht zu bestätigen scheinen, dass sich ein Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes (BGS) in die Gruppe eingeschlichen hatte. Das würde bedeuten, dass die Polizei die ihrer Darstellung nach „lebensgefährliche“ Aktion bewusst nicht verhindert hat.
Während des Castor-Transportes am 13. November waren rund 30 AtomkraftgegnerInnen in Lüneburg auf die Hauptstrecke Hamburg–Hannover gelangt. Ein ICE musste bremsen – „notbremsen“, sagt die Polizei: Der Lokführer sei nur von zwei Beamten vor Ort gewarnt worden – allein dadurch seien die DemonstrantInnen mit dem Leben davongekommen. Diese versichern das Gegenteil: Sie hätten die Polizei telefonisch gewarnt. Deshalb sei der ICE bereits verlangsamt herangefahren.
Nach der Aktion waren die AtomkraftgegnerInnen misstrauisch geworden: Ein Aktivist, der sich als Landwirt „Bruno Lohmann“ vorgestellt hatte, konnte im Polizeikessel keinen Personalausweis vorzeigen. In der Gefangenensammelstelle sei er plötzlich verschwunden gewesen. Das Aktionsbündnis Heidewerkstatt recherchierte – und wurde fündig, weil Lohmann offenbar seinen richtigen Nachnamen und eine alte Anschrift genannt hatte. Die Castor-GegnerInnen ermittelten die neue Adresse in einem Dorf bei Braunschweig. Lohmanns Eltern, die im selben Haus wohnen, bestätigten ihnen, dass ihr Sohn beim BGS arbeitet. Auch die Nachbarn erkannten den Mann auf Fotos von der Blockade. Nicht nur durch die – von der Polizei geleugnete – Vorwarnung, auch „durch den Spitzel war dem BGS bekannt, wann und wo die Blockade stattfinden sollte“, schlussfolgert Beate Friedrich, Sprecherin des Bündnisses. Dennoch sei die Aktion nicht verhindert worden, sondern „bewusst genutzt, um die Antiatombewegung zu kriminalisieren“. Die „vorgetäuschte“ Lebensgefahr sei dabei nur Mittel zum Zweck gewesen. Der BGS in Hannover sah sich gestern zu einer Stellungnahme nicht in der Lage. HEIKE DIERBACH
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