LATEINAMERIKAS RECHTE HABEN VERSAGT. JETZT KOMMEN DIE LINKEN: Alternative zum Putsch: gewählt werden
Olivgrün hat Konjunktur in Lateinamerika. Nach Hugo Chávez in Venezuela hat es in Ecuador mit Lucio Gutiérrez binnen kurzer Zeit schon der zweite Kandidat in Uniform zu Präsidentenehren gebracht. Dass es den linksnationalistischen Militärs gelang, an den Urnen die Macht zu erobern und nicht mehr durch Putsche, folgt auf den Zusammenbruch des Parteiensystems in vielen Ländern des Kontinents. In Ecuador und Venezuela haben die traditionellen politischen Lager den Rückhalt verloren, weil sie seit Jahrzehnten demokratische Partizipation außerhalb der Wahlkabinen ausgeschlossen haben und weil sie auf ein Wirtschaftsmodell setzten, bei dem die Mehrheit des Landes leer ausgeht. Dieser Mehrheit ist es nun gelungen, sich politisch durchzusetzen.
Zu ihrer Artikulation braucht sie Figuren wie Gutiérrez und Chávez. Bei den Wahlen verkörperten beide nur vage Alternativen, kaum mehr als reine Opposition. Beide haben unausgegorene politische Projekte im Kopf, es fehlen klare Ideen darüber, wie Politik neu gestaltet werden soll – innenpolitisch ist ein Linksruck kaum auszumachen. Doch seit der Wahl des linken Lula in Brasilien werden die Karten für die wirtschaftliche Integration Lateinamerikas neu gemischt. Politisch gab es in den vergangenen zehn Jahren nie bessere Bedingungen für ein Zusammenwachsen des Kontinents. Wirtschaftlich könnte daraus durchaus eine Alternative zu vorherrschenden Entwicklungsmodellen erwachsen, vor allem zur von den USA geplanten Freihandelszone von Alaska bis Feuerland.
Mit Lula, Gutiérrez und Chávez hat eine Gegenbewegung eingesetzt – mit durchaus unterschiedlichen Ausprägungen. Sie hat erst begonnen und muss noch Erfahrungen sammeln. Durchaus darf daran gezweifelt werden, dass es Chávez und Gutiérrez gelingen wird, mit ihrem Amalgam aus soldatischer Ehre, Nationalismus und Gerechtigkeitsrhetorik die Lebensbedingungen der Armen zu verändern. Ihre Gegner aber sollten sich mit Pessimismus zurückhalten: Die alten Parteien mit ihren verkrusteten Apparaten haben dieses Ziel über Jahrzehnte nie erreicht. INGO MALCHER
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